"Büchlein für Arme und Kranke auf dem Land geschrieben.."
Kneipp: 'Meine Wasser-Kur' S.254
Meine Wasser-Kur
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Was du tust, mein lieber Leser, das tue vernünftig und überschreite
nie das rechte Maß! Auch die Anwendung des Vollbades soll in der Woche
die Zahl von drei in der Regel nicht übersteigen.
Wann soll ich am besten diese Bäder beginnen?
Die wichtige Arbeit, den Körper abzuhärten oder, was gleichbedeutend
ist, ihn gegen Krankheit zu schützen, widerstandsfähig zu machen,
kann nie früh genug begonnen werden. Fange gleich heute noch an, aber
fange an mit leichteren (s. Abhärtungsmittel), nicht gleich mit schwereren
Übungen! Du könntest sonst leicht den Mut verlieren! - Unsere kalten
Vollbäder wirst du beginnen können, wenn du kräftig bist, vielleicht
nach kurzer Vorbereitung, wenn du schwach bist, unter Umständen erst
nach längerer Vorübung.
Es ist dieses ein sehr wichtiges Kapitel. Nur nicht unvermittelt, plötzlich,
mit den strengsten Mitteln etwas forcieren, erzwingen wollen! Das ist zum
mindesten Unverstand.
Ein Arzt riet einem am Nervenfieber Erkrankten, er soll 1/4 Stunde ins kalte
Wasser gehen. Der Kranke tat es, bekam aber darnach solchen Frost, daß
er in Zukunft von einem solchen Heilbade natürlich nichts mehr wissen
wollte, es verwünschte und verfluchte. Die Erklärung des Sachverständigen
ging einfach dahin: nach solchen Erfahrungen sei klar, man könne bei
dem Kranken das Wasser nicht ferner in Anwendung bringen, der Kranke sei im
übrigen verloren. Mit diesem Todesurteil kam man zu mir. Ich gab den
Rat, der Aufgegebene solle doch nochmal das Wasser probieren, aber statt 1/4
Stunde nur 10 Sekunden (hinein und hinaus) im Wasser bleiben, der Erfolg müsse
ein anderer sein. Gesagt, getan; in wenigen Tagen erholte sich der Kranke.
Bei derartigen Vorkommnissen drängte sich mir stets die Meinung auf,
man wende das Wasser absichtlich in solch schroffer, unbegreiflich gewalttätiger
Weise an, um das Volk, anstatt mit Vertrauen, mit Schrecken vor diesem nassen
Wauwau zu erfüllen. Ich bin ein sonderbarer Mensch, ich weiß es;
drum wird man mir solche Einfälle nicht hoch anrechnen.
Solche, denen es ernst ist, mögen nach Anwendung der Abhärtungsmittel
zuerst noch die Ganzwaschungen (s. Waschungen) beginnen und dieselben, wenn
sie das Waschen vor Schlafengehen nicht aufregt und wach erhält, abends
vor dem Bettgehen, sonst in der Frühe beim Aufstehen vornehmen. Abends
verliert man gar keine Zeit auch früh ist in 1 Minute alles fertig. Wer
nicht gleich an die
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Arbeit oder in tüchtige Bewegung kommt, soll sich nochmals (bis zur Trocknung
und Erwärmung) 1/4 Stündchen niederlegen.
Diese Übung, wöchentlich 2-4 mal vorgenommen, was genügt, oder
täglich praktiziert, bildet die beste Vorbereitung zu unserem kalten
Vollbade. Man versuche es nur einmal! Dem ersten Unbehagen wird bald ein bis
ins Innerste hinein wohltuendes Behagen folgen, und was früher gescheut
und gefürchtet war, wird bald fast Bedürfnis werden.
Ein mir bekannter Herr ging 18 Jahre hindurch allnächtlich in sein Vollbad.
Ich hatte es ihm nicht vorgeschrieben; aber er wollte die Übung durchaus
nicht lassen. In den 18 Jahren war er keine Stunde lang krank.
Andere, die in einer Nacht 2-3 mal in die Badewanne stiegen, mußte ich
zurückhalten, es ihnen verbieten. Wäre die Übung sie hart oder
unausstehlich angekommen, wie man so oft ausschreit und ausheult, sie hätten
es sicherlich bleiben lassen. -
Wer es mit der Abhärtung, mit der Erhaltung seiner Gesundheit, mit seiner
Kräftigung ernst meint, fasse das kalte Vollbad recht ins Auge,[8] lasse
es aber bei dem guten Vorsatze allein nicht bewenden.
Kräftige Völker, Geschlechter, Familien sind stets treue Freundedes
kalten Wassers, gerade unseres Vollbades gewesen. Je mehr unser Zeitalter
den Charakter und Namen des verweichlichten bekommt, um so höhere Zeit
ists, zurückzukehren zu den gesunden, natürlichen (nicht verkünstelten
und unnatürlichen) Anschauungen und Grundsätzen der Alten.
Noch gibt es manche, besonders hochadelige Familien, angesehene Männer,
welche gerade unsere Wasseranwendung gleichsam als Haustradition und als ein
zur Gesundheitspflege überaus wichtiges Erziehungsmittel ansehen und
ihrem Stamme, ihren Nachfolgern gesichert wissen wollen.
Wir brauchen uns also unserer Sache nicht zu schämen. -
b) Das kalte Vollbad für Kranke.
Bei Beschreibung der einzelnen Krankheiten (im dritten Teile) wird genau
angegeben werden, wann und wie oft es zur Verwendung kommen soll. Nur einige
Bemerkungen von mehr allgemeiner Natur mögen hier ihre Stelle finden.
Eine kräftige Natur, ein gesunder Organismus ist imstande, die Krankheitsstoffe,
welche sich ansetzen wollen, selbst auszuscheiden.
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Dem kranken und durch Krankheit geschwächten Körper muß man
beispringen, ihn unterstützen, daß er anfange, diese Arbeit selbst
wieder zu tun. Vielfach geschieht diese Unterstützung durch das kalte
Vollbad, das in solchem Falle als vortreffliche Krücke oder Stab, als
Kräftigungsmittel dient.
Die Hauptanwendung findet es indessen bei den sogenannten hitzigen Krankheiten,
d. h. bei all jenen Krankheiten, welche als Vorboten und Begleiter heftige
Fieber haben. Die Fieber von 39-40° und darüber sind am meisten zu
fürchten; sie rauben alle Kraft, brennen die Hütte des menschlichen
Körpers gleichsam elendiglich nieder. Mancher, den die Krankheit verschont,
wird ein Opfer der Schwäche. Zusehen und Zuwarten, was sich aus einem
so schrecklichen Feuerbrande wohl entwickeln möge, scheint mir bedenklich
und folgenschwer zu sein. Was soll da alle Stunden einen Eßlöffel
voll, was das teuere Chinin, was das wohlfeile Antipyrin, was die giftige
Digitalismixtur, deren Folgen für den Magen wir alle kennen? Medikamente
sind und bleiben bei solchen Bränden doch recht schwache Hilfs- oder
Fieberstillungsmittel. Was sollen endlich jene künstlichen Berauschungsmittel,
die man dem Kranken eingibt oder einspritzt, die ihn in der Tat berauschen,
daß er nichts mehr weiß, nichts mehr fühlt, nichts mehr empfindet?
Ganz abgesehen vom moralischen und religiösen Standpunkte ist es wahrlich
erbärmlich, so einen halb eingeschlummerten, vielmehr berauschten Kranken
zu sehen, wie er daliegt mit entstellten Zügen, mit verdrehten Augen.
Wird das helfen? Bei solchem Fieberfeuer hilft gar nichts als das Löschen.
Feuer und Brände löscht man mit Wasser, den allgemeinen Körperbrand,
wo gleichsam alles in hellen Flammen steht, am gründlichsten durch das
Vollbad. Bei jedem neuen Aufflackern, d. h. so oft die Hitze, die Bangigkeit
groß wird, vielleicht im Anfange des Fiebers jede halbe Stunde erneuert,
wird es, früh genug angewendet, bald Herr des Feuers sein (s. Entzündungen,
Scharlach, Typhus u. a.).
Früher schon hörte ich, daß man in großen allgemeinen
Krankenhäusern für arme Kranke, welche das teuere Chinin nicht auftreiben
konnten, häufig die Badewanne gebrauchte, in den letzten Zeiten durchlief
manche Zeitungen die mir freudige Kunde, daß man besonders in großen
Militärspitälern Österreichs wieder angefangen habe, gewisse
Krankheiten wie den Typhus mit Wasser zu behandeln. Warum, so möchte
ich fragen, nur den Typhus? Warum nicht mit logischer Notwendigkeit all
jene Krankheiten, die als giftige Früchte aus den Fieberpilzen hervorwachsen?
Wer A sagt,
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muß B sagen. Mit Spannung warten viele auf das B, darunter auch manche
Leute vom Fach.
Eine Bemerkung, die vielleicht besser bei den Waschungen stünde, möge
gleichwohl hier sich anreihen. Nicht alle Kranken sind imstande, die Vollbäder
zu benützen; manche sind vielleicht schon derart geschwächt, daß
sie weder selbst sich heben und wenden, noch aus dem Bette gehoben werden
können. Müssen solche Kranke der Kaltwasseranwendung verlustig gehen?
Durchaus nicht. Unsere Wasser-Anwendungen sind so mannigfaltig, und jede einzelne
Anwendung hat wieder so viele Grade und Stufen, daß der Gesündeste
wie der Schwerkranke das für ihn und seinen Zustand Passende finden kann.
Nur darum handelt es sich, die Anwendung gut auszuwählen.
Für einen Schwerkranken, der wegen zu großer Schwäche unfähig
ist, die kalten Vollbäder zu gebrauchen, dienen als Ersatz die Voll-
oder Ganzwaschungen, die bei jedem, auch dem schwächsten Kranken leicht
im Bette vorgenommen werden können. Wie sie zu geschehen haben, sehe
man bei den Waschungen. Sie werden wie die Vollbäder so oft wiederholt,
als der Hitze- oder Bangigkeitszeiger einen hohen Grad, eine hohe Ziffer aufweist.
Gerade bei solchen ans Bett gefesselten Schwerkranken hüte man sich doppelt
vor dem großen Fehler einer zu schroffen Anwendung. Man würde stets
das Übel ärger machen.
Ich könnte jemanden nennen, der elf Jahre bettlägerig und ebensolange
Zeit in ärztlicher Behandlung war. Auch Wasser-Anwendungen waren versucht
worden; alles scheiterte. Nach der Heilung dieser Person, die in sechs Wochen
erfolgte, erklärte der Arzt selbst, die Sache komme ihm wie ein Wunder
vor. Er besuchte mich persönlich und wollte wissen, was denn geschehen.
Der ganze Hergang sei ihm um so unbegreiflicher, als nach seinem Dafürhalten
nicht mehr die geringste Tätigkeit in dem Körper vorhanden war und
seine sämtlichen Anwendungen mit Wasser ohne Erfolg blieben. Ich nannte
dem Herrn den einfachen Hergang und die noch einfacheren Wasserübungen.
Wir beide sahen ein, einen glimmenden Kienspan löscht man nicht mit der
Feuerspritze aus; sein Wasser war zu schroff, das meinige sachte, langsam,
den Fassungskräften des elenden Körpers entsprechend zur Anwendung
gekommen.
Mich hat es oft erbarmt, daß man hören und lesen muß, wie
in manchen Anstalten und Häusern Leute 10, 20 und mehr Jahre das Bett
nie mehr verlassen können. Das sind bedauernswürdige Geschöpfe.
So etwas begreife ich übrigens nicht und
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habe es nie begriffen, ganz wenige Ausnahmefälle abgerechnet; es hat
ja auch die heilige Schrift ihren 38jährigen Kranken. Ich bin der festen
Überzeugung, daß gar vielen dieser Betthüter und Betthüterinnen
durch die einfachsten, mit Ausdauer und Pünktlichkeit fortgesetzten Wasseranwendungen
wieder auf die Beine zu helfen wäre.
2. Das warme Vollbad
dient wie das kalte für Gesunde und Kranke.
Die Art und Weise, wie es genommen wird, ist eine zweifache.
Man steigt einmal in die mit Warmwasser so hoch angefüllte Badewanne
(a), daß das Wasser den ganzen Körper überspült, kein
Teil bloß, d. i. über Wasser, liegt. In dem Bade verweilt man 25-30
Minuten, dann geht man rasch in eine danebenstehende Wanne (b), die kaltes
Wasser enthält, und taucht bis an den Kopf, nicht mit dem Kopfe, unter,
oder in Ermangelung dieser zweiten Badewanne wäscht man den ganzen Körper
möglichst rasch kalt ab.
Fig. 4.
In einer Minute muß das kalte Bad, die kalte Waschung fertig sein. Schnell,
ohne abzutrocknen, wirft man sich in die Kleider und macht bis zur völligen
Trocknung und Erwärmung Bewegung (mindestens eine halbe Stunde) im Zimmer
oder im Freien. Landleute können ruhig und sofort wieder zur Arbeit zurückkehren.
Das Badewasser hat bei diesem ersten Bade eine Temperatur von 26-28°,
bei älteren Personen von 28-30°C. Ich rate, mit einem
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Thermometer, das man leicht bekommt, mit Vorsicht und genau zu messen. Es
genügt nicht, das Quecksilberröhrchen hineinzustecken ins Warme
und sofort wieder herauszuziehen, dasselbe muß einige Zeit im Wasser
belassen werden. Erst das Ruhigstehen des flüssigen Silbers gibt an,
daß gut und lange genug gemessen sei. Wer immer das Bad bereiten mag,
nehme es mit der Bereitung und der damit verbundenen Verantwortung ernst.
Gleichgültigkeit und Schlendrian sind nirgends weniger am Platze als
bei derart wichtigen Diensten der Nächstenliebe.
Die zweite Art, dieses Bad zu nehmen, ist folgende:
Die Badewanne wird gefüllt wie das erstemal, das Badewasser aber hat
die höhere Temperatur von 30-35°C.Über die Zahl 35 sollen bei
dieser Art Bäder die Wärmegrade nie steigen (wann, in welchen Fällen
sie zur Anwendung kommen soll, muß stets extra gesagt sein), unter die
Zahl 28 nie fallen; durchschnittlich rate und bereite ich sie selbst mit 31-33°C.
Bei diesem Bade geht man nicht 1 mal, sondern 3 mal ins Warme, nicht 1 mal,
sondern 3 mal ins Kalte. Es ist dieses Bad das sogenannte warme Vollbad mit
dreimaligem Wechsel. Das ganze Bad dauert akkurat 33 Minuten; die verschiedenen
Wechsel verteilen sich auf diese Zeit also (man lege die Uhr auf ein Stühlchen
neben die Wanne und zähle gut):
10 Minuten in das Warme,
1 Minute in das Kalte,
10 Minuten in das Warme,
1 Minute in das Kalte,
10 Minuten in das Warme,
1 Minute in das Kalte.
Mit Kalt muß ohne Ausnahme stets abgeschlossen werden. Gesunde, kräftige
Leute setzen sich in die Wanne mit kaltem Wasser und tauchen langsam bis an
den Kopf unter. Empfindsame Personen setzen sich und waschen rasch Brust und
Rücken[9] ab, ohne unterzutauchen. Eine Ganzwaschung tut jedem, der die
kalte Wanne zu sehr fürchtet, dieselben Dienste. Der Kopf wird nie naß
gemacht. Sollte er naß geworden sein, so trockne man ihn ab; ebenso
trockne man beim letzten Heraussteigen aus der kalten Wanne von allen Körperteilen
die Hände allein, damit selbe beim Anziehen der Kleider diese nicht naß
machen.
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Bezüglich des Weiteren, insbesondere bezüglich der nach dem Baden
notwendigen Bewegung gilt genau das beim ersten Bad Gesagte.
Ich schulde hier einige Bemerkungen.
Warme Bäder allein, d. i. ohne darauffolgende kalte Bäder oder kalte
Waschungen, verordne ich niemals. Die erhöhte Wärme, zumal wenn
sie längere Zeit andauert und einwirkt, stärkt nicht, sie schwächt
und macht den ganzen Organismus schlaff; sie härtet nicht ab, sie macht
die Haut gerade noch empfindsamer gegen alle Kälte; sie schützt
nicht, sie bringt Gefahr. Das Warmwasser öffnet die Poren; es dringt
kalte Luft ein, und die Folgen zeigen sich schon in den nächsten Stunden.
Sämtlichen Übelständen helfen die auf die warmen Bäder
folgenden Kaltbäder oder Kaltwaschungen (ich kenne keine warme Wasser-Anwendung
ohne die darauffolgende kalte) gründlich ab; das frische Wasser stärkt,
die erhöhte Wärme herunterdrückend; es erfrischt, die überflüssige
Hitze gleichsam wegwischend; es schützt, die Poren schließend und
die Haut fester machend.
Dasselbe Vorurteil von der plötzlichen Kälte, die auf die Wärme
folgt, begegnet uns hier schon wieder. Gerade mit Rücksicht auf die folgenden
Kaltbäder können und müssen die Warmbäder in höherer
Temperatur, als sonst normal ist und ich unter anderen Umständen raten
würde, gegeben werden. Der Körper wird mit soviel Wärme erfüllt,
gleichsam gewappnet, daß er den Anstoß der eindringenden Kälte
gut aushalten kann. Wer beim ersten Male zu sehr vor der kalten Wanne zurückschrecken
sollte, nehme eine Ganzwaschung vor. Er wird Mut bekommen. Es kommt alles
nur auf die erste Probe an. Wer es einmal versucht hat, nimmt schon des Wohlbehagens
wegen nie mehr ein warmes Bad ohne das darauffolgende kalte. Vielen, die anfangs
vor Angst gezittert, später aber sich an den merkwürdig wirkenden
Wechsel gewöhnt, denselben liebgewonnen haben, mußte ich strenge
Grenzen ziehen, daß das Übermaß des Guten ihnen nicht zum
Übel werde.
Das Prickeln, das Krabbeln in der Haut, welches man beim Wiedereinsteigen
vom kalten ins warme Bad, besonders an den Füßen lebhaft verspürt,
darf niemanden beängstigen; es wird einem später ein angenehmes
Frottieren.
Besondere Vorbereitungen, um z. B. die richtige Wärmetemperatur im Körper
herzustellen, sind bei beiden Arten dieses Vollbades nicht notwendig.
Auch hier wie bei allen Warmbädern benütze ich nie oder
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höchst selten bei Gesunden Warmwasser allein; ich mische stets Absud
von verschiedenen Heilkräutern bei.
a) Das warme Vollbad für Gesunde.
Wenn ich Gesunden, d. h. relativ Gesunden (gesunden aber schwachen Menschen),
warme Vollbäder verordne, so geschieht dieses nur dann, wenn solch geschwächte
Leute zu den Kaltwasserbädern sich nicht entschließen können,
und allein zu dem Zwecke, sie durch das Warmbad mit folgender kalter Waschung
allmählich fürs frische Kaltbad vorzubereiten und reif zu machen.
Meine Grundsätze und meine Praxis sind in diesem Stücke folgender
Art:
Ganz gesunden und kräftigen Naturen, deren frisches, gerötetes Aussehen
gleichsam selbst Wärme und Lebensfeuer sprüht, gebe ich warme Bäder
selten, fast nie. Sie verlangen auch nicht darnach, sie streben wie der Fisch
ins kalte Wasser.
Jüngeren, schwächlichen, blutarmen, nervösen Personen rate
ich es als gut, besonders jenen, welche Anlage zeigen zu Krämpfen, Rheumatismen
und ähnlichen Gebrechen. Die Hausmütter, welche so frühe schon
durch alle möglichen Mühseligkeiten aufgerieben werden, mögen
hier obenan stehen. Jeden Monat ein solches Bad mit 28°C. und folgender
kalter Abwaschung, 25-30 Minuten dauernd, würde genügen.
Bei Anlage zu Gliedersucht, Gicht, Podagra sind zwei solcher Bäder in
jedem Monat besser als eines.
Zur Sommerszeit sollen die jüngeren Personen die kalten Vollbäder
versuchen.
Bejahrten, schwächlichen Leuten empfehle ich der Reinlichkeit der Haut,
der Auffrischung und Stärkung wegen wenigstens allmonatlich ein warmes
Vollbad mit 28-30°C. von 25 Minuten Dauer mit abschließender kräftiger
Abwaschung. Sie werden jedesmal infolge der erhöhten Transpiration (Hauttätigkeit)
und der lebendigeren Zirkulation (Umlauf) des Blutes wie neu aufleben.
b) Das warme Vollbad für Kranke.
In welchen Krankheiten das warme Vollbad anzuwenden sei, das besagen die einzelnen
Krankheitsfälle. Beide Arten desselben kommen in Verwendung, und man
hat bei gehöriger Vorsicht und Pünktlichkeit durchaus nichts zu
fürchten.
Die Bäder verfolgen einen doppelten Zweck:
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im einen Falle sollen sie durch Zufuhr von Wärme die Körperwärme
erhöhen, vermehren, im anderen Falle mitwirken zur Auflösung und
Ausleitung von Stoffen, welche der kranke Körper allein aus eigener Kraft
nicht mehr entfernen kann.
Die warmen Vollbäder werden bereitet als:
Heublumenbäder,
Haferstrohbäder,
Fichtenreiser- (Nadel-) Bäder,
gemischte Bäder.
Die Bereitung und Wirkung der 2 ersten Bäder wurde der Hauptsache nach
schon bei der Abhandlung über das warme Sitzbad angegeben. Nur einige
Punkte seien der Vorsicht halber wiederholt.
aa) Das Heublumenbad.
Ein kleines Säckchen mit Heublumen angefüllt kommt in einen Kessel
heißen Wassers und bleibt mindestens eine Viertelstunde im Sude. Der
ganze Absud wird in die mit Warmwasser bereitstehende Wanne geschüttet
und die Mischung, bis sie die vorgeschriebene Temperatur erreicht hat, mit
warmem oder kaltem Wasser aufgefüllt. Dieses Bad, das leichteste und
häufigste, ist eigentlich das unschuldigste, das normale Bad zum Wärmen
des Körpers. Auch Gesunde können es jeder Zeit benützen. Bei
mir zu Hause geht mancher Wassermann, von solchem Heublumenduft umschwängert,
Dorf auf und ab. Das kaffeebraune Wasser öffnet eindringlich die Poren
und löst Anstauungen im Körper auf.
bb) Das Haferstrohbad.
Nachdem ein ordentliches Büschel Haferstroh in einem Kessel siedenden
Wassers eine halbe Stunde lang gesotten, verfährt man mit dem Absude
wie oben.
Dieses Bad wirkt stärker als das Heublumenbad und ist bei Nieren- und
Blasenbeschwerden, bei Stein-, Gries- und Gichtleiden vorzüglich.
cc) Das Fichtenreiser- (Nadel-) Bad
wird also bereitet: Man nimmt Fichtennadeln, je frischer, desto besser,
klein zerhackte Ästchen (Reiser), selbst recht harzige, gleichfalls zerschnittene
Tannenzapfen und siedet die ganze Masse, bunt durcheinander geworfen, 1/2
Stunde in heißem Wasser. Mit dem Absude verfährt man wie oben.
Auch dieses Bad hat günstigen Einfluß auf Nieren- und Blasenleiden;
doch schwächeren als das
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Haferstrohbad. Seine Hauptwirkung betrifft die Haut, welche es zur Tätigkeit
spornt, und die inneren Gefäße, welche es stärkt. Dieses wohlduftende
und stärkende Fichtennadelbad ist so recht das obenerwähnte Bad
der älteren Leute.
dd) Gemischte Bäder
nenne ich jene, bei denen, wenn gerade das notwendige Quantum irgend einer
dieser Heilpflanzen abgeht, die Absude von mehreren zusammengegeben werden
in ein Bad. Am häufigsten habe ich so gemischt die Absude von Heublumen
und Haferstroh, indem schon die Pflanzen zusammen gekocht wurden. Das Haferstrohbad
wird auf diese Weise auch wohlriechender.
Bäder wären schon gut, sagt mir einer, das weiß ich; aber
die Sache kommt zu teuer und ist viel zu umständlich.
Mit Recht könnte mir derjenige meiner Leser diesen Einwand erheben, welchen
ich nach Reichenhall, nach Karlsbad oder sonst einem Bade schicken, oder welchem
ich etwa verordnen wollte, er solle die kleinen, schwarzen, sorgfältig
verpfropften, teueren Fichtennadelextrakt-Fläschchen kaufen und in jedes
Bad die Hälfte oder ein Dritteil des Inhaltes gießen.
So aber hat niemand auch nur den geringsten Grund zur Klage, zur Entschuldigung
zu einem Einwande. Der Ärmste selbst kann sämtliche Bäder mit
Leichtigkeit bereiten und er hat in jedem Falle den reinsten Extrakt, wie
er ihn echter und unverfälschter an keinem Orte bekommen kann.
Gerade für ärmere und unbemittelte Leute habe ich solche Bäder
lange Zeit gesucht, damit auch sie der Wohltat des Bades, das auf die Gesundheit
vielfach so großen Einfluß übt, nicht ganz verlustig gehen
müssen.
Der Reisen bedarf es dazu nicht, höchstens eines Ganges auf den Heu-
oder Stroh-Speicher oder in den nahen Wald. Kosten tun die Bäder auch
nur ein paar Schritte oder ein gutes Wort. Heublumen und ein Büschel
Haferstroh schenkt jeder Bauer jedem Armen; keine Tanne versagt ihm ihre Zapfen
und ihr grünes Reisig. Eine hölzerne Stande (Zuber, Schaff) hat
doch ein jeder unter dem Hausrate; im Notfalle borgt sie der Nachbar gerne.
Dieses genüge bezüglich des Kostenpunktes.
Was die Mühe, die Umständlichkeit abgeht, so stelle ich einzig die
Frage: Ist es für dich, für deine Angehörigen weniger umständlich,
wenn du wochenlang aufs Krankenlager geworfen wirst,
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oder wenn der verwahrloste, über Gebühr geschwächte und nie
erfrischte, niemals neu aufgerichtete Körper langsam dahinsiecht?
Von Mühe und Arbeit kann da gar nicht die Rede sein; ich müßte
es Bequemlichkeit und Trägheit nennen, wem immer es zu viel wäre,
meinen allergeringsten Anforderungen zu entsprechen. Wer solche Gesinnung
hegen würde, verdiente in der Tat gar kein solches Bad.
3. Die Mineralbäder.
An dieser Stelle schulde ich ein Wort über die Mineralbäder, wegen
deren ich sehr oft schon befragt wurde.
Meine unmaßgebliche Ansicht über diesen Punkt ist folgende. Ich
kann nach all den Grundsätzen meiner Wasserkur nicht dafür sein,
weil ich alles Forcierte, alles Gewaltsame nicht billige, ganz gleich, ob
von außen nach innen oder direkt nach innen gewirkt wird. Mein Urteil
lautet und wird immer lauten: Die gelindeste Anwendung ist die beste, ob es
sich nun um die Wasserheilmittel, oder ob es sich um Medizinen usw. handle,
und wer mit einer Anwendung seinen Zweck erreicht, soll ja keine zweite gebrauchen.
Wir müssen der Natur, dem kranken oder geschwächten Organismus sachte
an die Hand gehen, nicht streng und stürmisch; wir müssen den kranken
Körper sozusagen milde und leicht an der Hand führen, ihm bisweilen
helfend und stützend unter die Arme greifen, aber ihn nicht allzusehr
drängen, ihn nicht zerren und stoßen; wir müssen nicht durch
dies und das absolut etwas einwirken wollen, sondern nur mitwirken, daß
der Körper mit seiner Arbeit fertig werde, und sofort von dieser gelinden
oder gelindesten Mitwirkung abstehen, sobald der Körper allein sich weiterzuhelfen
weiß.
Niemandem wird es, um ein Beispiel meines Verfahrens anzuführen, entgangen
sein, daß er die allbekannten Wurzel- und Drahtbürsten, die Frottiertücher
usw. bei mir nicht findet. Ich habe diese Sachen früher angewendet, wenn
auch nur in vereinzelten Fällen, aber die Erfahrung gemacht, daß
das Wasser allein ohne diese doch mehr oder weniger gewaltsamen Manipulationen
(der arme Körper hat dann auch zu aller Arbeit hin noch die gekneteten
und gebürsteten Muskeln und die ebenso bearbeitete Haut in Ordnung zu
bringen) die besten Wirkungen tut, wenn es nur richtig angewendet wird. Den
Frottierdienst versieht bei mir den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch
das grobe Linnen- oder Reistenhemd, welches ich hiermit warm empfehle.
Der Name Mineralbad schon deutet eine strenge
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Wirkung an. All diese Wasser, heißen sie, wie, und fließen sie,
wo sie wollen, enthalten mehr oder weniger, gelindere oder schärfere
Salze. Solche Salzwasser, von außen nach innen angewendet, kommen mir
vor - man verzeihe den Ausdruck - wie der Fegwisch und der körnige Sand,
welche ich zum Putzen, zum Reinigen des Silbers oder noch edleren Metalles
anwenden wollte. Silber und Gold sind zart und fein. Sind das die inneren
Organe weniger? Ein Hauch trübt das Silber, rauhe Putzmittel verletzen,
verwunden es. Es wird bei solcher Bearbeitung wohl blank; Fegwisch und Sand
nehmen den Staub und Schmutz gründlich weg. Ja nur allzu gründlich,
und lange wird das Silberzeug solche Behandlung, besser gesagt Mißhandlung,
nicht aushalten. Die Anwendung brauche ich nicht zu machen, auch nicht lang
und breit zu erklären, an welch empfindsamem, weichem, überaus
edlem Metall solche Wasser ihre Reinigungsarbeit vornehmen.
Und was sagt denn die Erfahrung zu dieser Behauptung?
In großen Badestädten trägt man vielfach die Heimgegangenen
nicht am Tage, sondern in der Nacht, nicht mit Gesang und Musik, sondern in
aller Stille, um die Lebenden nicht unangenehm zu berühren und zu inkommodieren,
auf den Friedhof zur letzten Ruhestätte. Aber man trägt manche,
ziemlich viele hinaus. Es stirbt jährlich eine ziemlich große Anzahl
Menschen in den verschiedensten Bädern. Der oder die war in dem
und dem Jahre das erstemal hier, heißt es; es ist ihm, ihr
vortrefflich bekommen. Das alte Leiden kam wieder, und er, sie
ging wieder hin. In dem und dem Jahre war er das zweitemal dort,
sagen die Angehörigen, aber es bekam ihm weniger gut. Das Übel
kehrte in erhöhtem Grade zurück; er ließ es sich nicht nehmen
und reiste ein drittes Mal hin. Er kehrte sichtlich gekräftigt zurück,
er schien prächtig kuriert zu sein. Aber er kehrte nur zurück, um
daheim zu sterben. Manchem erspart der frühe Tod an Ort und Stelle noch
die Reisekosten. Diese Geschichte und ähnliche andere habe ich
zu unzähligen Malen erzählen hören.
Wer der Zerstreuung und der Gesellschaft wegen und rein zu äußerlichem
Gebrauche derlei Orte besucht, hat obiges nicht zu fürchten; er hat nur
mit seinem Geldbeutel zu rechnen, der vor allem anderen in die erbarmungsloseste
Kur genommen und gründlich ausgepumpt wird.[10]
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Auch gewöhnliche, selbst Bauersleute, denen der Kopf nicht mehr an der
rechten, der demütigen Stelle steht, welche die besseren, studierten,
gebildeten und fortgeschrittenen Menschen nachahmen, nachäffen wollen,
besuchen zwar keine Badestadt, - daran verhindert sie zum Glück der Herr
Habenichts in der Hosen- und Westentasche, - aber sie fangen allerlei verkehrte
Sachen an.
Zu mir kam einst ein Bauer und sagte: So, jetzt habe ich das beste Mittel
zur Reinigung des Körpers gefunden; es ist eine Art von Heilwasser und
ich nehme dasselbe öfters. Worin besteht es denn? fragte
ich ihn. Nach einigem Zögern gestand er, daß er einen Löffel
Salz in Wasser auflöse und das Salzwasser nüchtern trinke. Das putze
sauber aus, und es sei ihm lieber (natürlich dem aufgeklärten, aber
geldschwindsüchtigen Springinsfeld!) als das beste Mineralwasser. Ich
warnte den Bauern, aber er ließ sich von seiner von ihm selbst erfundenen
Kur nicht abbringen. Er trank noch eine Zeitlang fort; dann aber bekam er
Magen- und Verdauungsbeschwerden, Blutarmut und starb, erschöpft und
entkräftet und ausgefegt in den besten Mannesjahren.
Also immer hübsch bescheiden und vernünftig bleiben und niemals
einen Reichen und Vornehmen, dem scheinbar Besseres geboten wird und zu Gebote
steht, beneiden! Das wäre unchristlich und töricht.
Auch solche sollst du nicht schief ansehen, die wegen Kränklichkeit und
Anlage zur Schwindsucht usw. sogenannte klimatische oder Luftkurorte besuchen
können, die nach Meran gehen oder nach Südfrankreich oder nach Italien
oder gar nach Afrika. Ich denke mir immer: für den Fisch ist der beste
Ort das Wasser, für den Vogel das herrlichste Heim die frische Luft und
die freie Natur; für mich das zuträglichste, das günstigste
Klima der Ort, an dem, die Gegend, in der Gottes Schöpferhand mich gebildet
hat. Will die Luft mir zu rauh werden, nun, dann suche ich mich abzuhärten;
auch in Krankheiten wird mir das heimatliche Wasser die gleichen Dienste tun
wie jenes, das in fremden Landen fließt. Soll ich sterben nach Gottes
Willen, gut, einmal muß es doch sein, und die heimatliche Erde, sagt
man, deckt leichter; in ihr ruht es sich besser und friedlicher.
Welches sind denn die jährlich von neuem approbierten Erfahrungen auch
über solche mild oder hoch gelegene Luft-Badestätten?
Ich stelle nur die zwei Fragen: Wie viele von denen, die wirklich krank dahin
flüchteten, sind gründlich geheilt heimgekehrt? Ferner:
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Wie viele sind für immer, besonders in den wärmeren Kurorten, geblieben
und dort begraben worden!
So bleibe im Lande, nähre dich redlich und wasche dich täglich!
V. Teilbäder.
Ich fasse die folgenden Bäder unter dem Namen Teilbäder zusammen,
einmal, weil sie einzelne Körperteile betreffen, vorzüglich aber,
um dieser Kleinigkeiten wegen nicht noch weitere größere Abschnitte
machen zu müssen.
1. Das Hand- und Armbad.
Der Name besagt genug, und an Ort und Stelle wird bei den betreffenden Krankheiten
gesagt sein, wann und in welchen Fällen diese Bäder anzuwenden sind,
ob kalt, ob warm, wie lange, ob 2-3 Minuten, ob eine Viertelstunde, wie oft
zu wiederholen, in welchem Kräuterabsud usw.
Bezüglich der Anwendung genüge die eine Bemerkung:
Es hat z. B. jemand einen bösen Finger. Ich wirke nicht allein auf den
Finger, sondern auch auf die Hand, auf den Arm, auf den ganzen Körper.
Der böse Finger ist nur eine böse Frucht des bösen Zweiges,
des bösen Astes, des bösen Stammes. Ist der Stamm in Ordnung, liefert
er genügenden und guten Saft, so muß auch die Frucht eine gute
werden.
Die Anwendungen, resp. die Verbesserung der Zweige und Äste, d. i. der
Hand und des Armes, geschehen neben den Wickeln durch die Hand- und Armbäder.
2. Das Kopfbad.[11]
Zu den wichtigsten Teilbädern zählt das Kopfbad. Dasselbe kann kalt
oder warm, am besten in folgender Weise genommen werden.
Man stellt ein Gefäß mit Wasser auf einen Stuhl und hält den
Oberkopf (s. Abbildung), den eigentlichen Haarboden, ins kalte Wasser ungefähr
1 Minute, ins warme 5-7 Minuten. Soweit das Wasser am Hinterhaupte die Haare
nicht berührt, kann mit Aufgießen durch die hohle Hand nachgeholfen,
d. h. es können die trocken gebliebenen Haare gleichfalls benetzt werden.
Fig. 5.
66
Nach dem Bade soll man die Haare sorgfältigst abtrocknen. Ja immer, sei
es, daß sie durch Guß oder Dampf naß werden, und ich rate
große Vorsicht und Genauigkeit an, da bei Vernachlässigung leicht
schwere Kopfleiden, wie Kopfrheumatismus u. a., die Folge sein könnten.
Nach der Abtrocknung bleibe man im Zimmer oder setze eine die ganze nasse
Haarfläche bedeckende Mütze auf, bis Kopfhaut und Haare völlig
trocken sind.
Viele wenden ein kürzeres Verfahren im Kopfbade an, besonders junge Leute
vom Lande. Sie tauchen ihren Kopf öfters nacheinander unter im Brunnentroge
wie die Enten im Teiche oder halten den Kopf unter die Röhre. Es tut
ihnen wohl so. Ganz recht! Sie sollen es nur nicht zu arg (zu lange und zu
oft) treiben und die Regeln des Abtrocknens gut merken.
Gut ist das kalte Kopfbad dem, der kurzgeschnittenes Haar hat. Bei langem
Haare[12] dringt das Wasser schwerer durch auf die Haut, - was eigentlicher
Zweck des Bades ist, - und die Trocknung schreitet langsamer voran. Solchen
rate ich stets das warme Kopfbad an wegen seiner längeren Dauer.
Die Kopfbäder verordne ich zuweilen gegen Kopfleiden - dann sind es immer
kalte und kurze -, meistens jedoch solchen Personen, bei denen der Haarboden
insbesondere der Tummelplatz aller möglichen Geschwüre und Geschwürchen,
flechtenartiger, trockener Ausschläge, eine förmliche Fundgrube
von Schuppen und Staub und gar noch von anderem ist, was freilich eher und
besser die Nacht als der Tag, nur nicht das Haar bedecken sollte. Mitunter
bekommen diese auch warme Kopfbäder von längerer Dauer, abschließend
mit kalter Übergießung oder kalter Abwaschung.
Ich mache auf diese Kopfbäder wohl aufmerksam. Wenn auf dem Lande, im
kleinen Häuschen und im noch kleineren Stübchen den ganzen Winter
hindurch die ohnedies kleinen Seh- und Luftlöcher, Fenster genannt, niemals
geöffnet werden, so entsteht zuletzt eine Luft, die man förmlich
schneiden kann und die jeden eintretenden Fremden mit Wucht zurückschlägt.
67
Und wenn in einer Stube nie gereinigt, nie aufgewaschen wird, wie muß
dann zuletzt der Boden aussehen?
Kann es dem armen Haarboden anders gehen, wenn die langen Haare oder die zwei-
oder dreifachen Kopfumhüllungen das halbe Jahr hindurch keinen Lufthauch
und keinen Sonnenstrahl hineindringen lassen auf die ohnedies im verborgenen
lebende Kopfhaut? Und wenn da nie ein Wasser oder eine Lauge gründlich,
recht gründlich ihre Arbeit tut, wie mag es zuletzt aussehen?
Auch da kann sich ein Morast von Krusten usw. bilden, eine Fäulnis, und
manche Mutter weiß zu erzählen, was solche Fäulnis zeitigt.
Leider ist nur zu wahr: die Kopfpflege wird vielfach sehr vernachlässigt.
Man wäscht jahraus, jahrein jeden Morgen sein Gesicht und meint, damit
sei es abgetan. Damit ist es noch lange nicht abgetan. Ich empfehle die Kopfpflege
im Interesse der notwendigen Reinlichkeit, dann der Gesundheit der Jungen
wie der Erwachsenen; in erster Linie soll sie den Müttern empfohlen sein.
3. Das Augenbad
ist kalt oder warm zu nehmen. Man bereitet es in beiden Fällen seinen
Augen folgendermaßen: Man taucht das Gesicht in das kalte Wasser ein,
öffnet die Augen und läßt diese ¼ Minute gleichsam
baden. Dann erhebt man sich, setzt ungefähr ¼-½ Minute
aus und taucht Stirne und Augen von neuem ein. Die Wiederholung kann geschehen
4-5 mal. Das warme (24-26°C.) Augenbad soll stets mit kalt abschließen,
sei es, daß man das letzte Bad kalt nimmt, oder daß man zum Schlusse
die Augen mit frischem Wasser abwäscht. Desgleichen sei das Badewasser
nicht warmes Wasser allein, sondern wieder Kräuterwasser. ½ Löffel
gemahlener Fenchel oder Absud von Augentrost haben mir stets gute Dienste
geleistet.
a) Das kalte Augenbad wirkt vortrefflich bei gesunden, aber schwachen Augen.
Es stärkt und erfrischt den ganzen Sehapparat in seinen inneren und äußeren
Bestandteilen.
b) Das warme Augenbad (lauwarm) wird verwendet, um Geschwülste am äußeren
Auge aufzuweichen und ungesunde dicke eiterige Flüssigkeit in dem inneren
Auge zu lösen und auszuziehen.
C. Dämpfe.
Wie unsere sämtlichen Wasseranwendungen, so wirken auch die Dämpfe
in der gelindesten Form und deshalb durchaus
68
ungefährlich und unschädlich. Gleichwohl erheischt die Anwendung
der Wasserdämpfe große Vorsicht. Was den Kranken, der richtig und
nach Vorschrift anwendet, gesund macht, kann bei Nachlässigkeit und Sichgehenlassen
einen Gesunden krank machen. Wer z. B. unmittelbar nach einem Dampfbade ohne
vorhergehende Abkühlung ins Freie, an die kühle Luft tritt, kann
nicht nur krank, er kann tödlich krank werden, die Anwendung ist daran
so unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Diese erste Bemerkung soll zur Vorsicht,
nicht zur Ängstlichkeit ermahnen. Ich wiederhole, daß bei richtigem
Gebrauche niemals eine, selbst nicht die leiseste Gefahr zu befürchten
ist.
Sind Dämpfe zur Heilung überhaupt notwendig? Wenn eine Hausfrau
ihre Wäsche reinigt, so gebraucht sie warmes und kaltes Wasser. Das warme
Wasser soll das zu Entfernende auflösen, das kalte Wasser soll das Gelöste
wegschwemmen. Ein ähnlicher Prozeß (Vorgang) vollzieht sich beim
Heilverfahren. Auch bei Krankheiten muß Verschiedenes, wie Blutanstauungen,
verdorbene Säfte usw. auf- und ausgelöst werden. Das geschieht durch
die Wärme. Sodann muß der Körper gekräftigt und widerstandsfähig
gemacht werden. Das geschieht durch die Kälte.
Jeder Körper muß demnach ein gewisses Quantum, ein gewisses Maß
von Wärme haben, wenn seine Arbeit vonstatten gehen soll.
Der gesunde Körper besitzt in sich Naturwärme genug, er braucht
keine Zutat.
Jeder kränkelnde Körper fühlt sehr bald den Abgang, das Fehlen
der notwendigen inneren Wärme. Dieselbe muß auf irgend eine Art
ersetzt werden. Bei vielen Patienten genügen die Wickelungen und Umschläge;
bei anderen tun die Dämpfe, diese künstliche Zufuhr, ich möchte
sagen Einpressung der Wärme, bessere Dienste.
Worin besteht das richtige Dampfverfahren?
Diese Frage zu beantworten ist nicht leicht. Ich teile lediglich meine Erfahrungen
mit und gestehe gleich im Anfange, daß ich dieses Verfahren öfters
änderte.
Anfangs schloß ich mich der allgemeinen Praxis an, welche ganze Dampfbäder
vorzog, und diese befolgte ich 13 Jahre lang. Da ich indessen im Verlaufe
dieser Jahre die erwarteten Wirkungen nicht sah, änderte ich daran. Innerhalb
drei Jahren geschah dies sogar dreimal, bis ich endlich die jetzige überaus
gelinde, alles Schroffe sorgfältig vermeidende Art, den Dampf nicht gleichzeitig
auf den ganzen Körper, sondern nur auf Teile desselben einwirken zu lassen,
als die
vortrefflichste und vorteilhafteste anerkannte und schon seit vielen Jahren
mit dem besten Erfolg praktiziere.
Doch ich muß etwas weiter ausholen:
69
Vor ungefähr 30 Jahren kamen auch bei uns in Süddeutschland die
russischen Dampfbäder in Übung. Da viele Familien nicht imstande
waren, diese damals nur Großstädten eigenen Gesundheitsbäder
zu gebrauchen, so erfand man, wie ich mir die Sache erkläre und denke,
als Ersatz dafür den bekannten Schwitzkasten, der ähnliche Schweißtreibungsdienste
leisten sollte.
Auch ich ließ mir einen solchen Schwitzkasten fabrizieren, d. i. einen
Kasten mit einer schließbaren Eingangstüre und einer Öffnung
dem Himmel zu, durch welche man bequem den Kopf stecken konnte. Die Zufuhr
des Dampfes geschah von außen; der Patient oder Schwitzlustige saß
oder stand im Innern des Kastens und betrachtete mit stiller Resignation (Ergebung
in sein Schicksal) das vor ihm angebrachte Thermometer. Ein trockenes Tuch
umhüllte den Hals, um das Entweichen des Dampfes zu verhindern; nasse
Kompressen oder Umschläge bedeckten den Kopf, um ihn, während der
ganze Körper schon nach 10-15 Minuten in größtem Schweiße
war, kühl zu erhalten. Das Dampfbad beschloß ein Vollguß
(eine Gießkanne Wasser) oder ein Vollbad. So oft größere
Schweiße erwünscht waren, ließ ich 2 mal, je 15 Minuten lang,
in dem Kasten Aufenthalt nehmen mit jedesmaliger rascher, 1/2 Minute währender
Abwaschung.
Die Art und Weise der Bereitung dieser Ganzdampfbäder schien mir unübertrefflich,
mir war nur unbegreiflich, daß die Erfolge nicht ebenfalls vorzügliche
waren. Zur Winterszeit insbesondere hatte die Sache große Schwierigkeiten.
Innerhalb weniger Minuten brachte der heißeste Dampf, welcher den ganzen
Körper gleichmäßig einhüllte, von allen Seiten ihn gleich
heftig angriff, auch den ganzen Körper in starken Schweiß und damit
in große Empfindsamkeit der Kälte gegenüber. Mir wenigstens
war es stets sehr schwer, nach dem Bade die ganze Hautfläche gegen die
frische kalte Winterluft so zu schützen, daß nicht irgend ein Fleck
der Haut Schaden gelitten und längere Zeit Beschwerden, zuweilen heftige
Schmerzen bereitet hätte.
Ich probierte viel, wie diesem Übelstande abzuhelfen sei, und dachte
noch mehr darüber nach.
Da führte mich gerade zur Winterszeit einmal der Weg nach München;
ich litt an ziemlich heftigem Katarrh. Der Zufall spielte mir ein Blatt in
die Hand, welches auf der letzten Seite die ans Wunderbare grenzenden Wirkungen
der russischen Dampfbäder in einem überschwenglichen Lobeshymnus
pries. Unter anderem hieß es: Man probiere es nur; ein einziges Dampfbad
ist imstande, den heftigsten Katarrh zu heilen. Das muß ich doch
mal sehen, dachte
70
ich, und - gedacht, getan. Ich suchte die Anstalt auf, nahm ein solches Bad
und in der Tat, ich fühlte nach der allerdings russischen Dampfkur keine
Spur mehr von meinem Katarrh. Aber nur langsam! Kaum waren 5-6 Stunden verflossen,
da saß im ganzen Körper ein neuer Katarrh, doppelt so heftig als
der alte, den ich im russischen Bade zurückgelassen.
Ah so! dachte ich und sagte mir leise ins Ohr: Diese Art
Dampfbäder zu nehmen kann nicht die richtige sein. Ich sehe ganz ab von
mir selbst; wie aber soll ein Geschwächter, ein Kranker, vollends ein
Schwerkranker etwas anwenden, was selbst einen kräftigen, gesunden Mann
erschaudern macht? Fürwahr, ein solcher muß anders bedient werden.
All die weiteren Forschungen und Versuche brachten mich zu der Überzeugung,
daß derselbe Grundsatz, welcher für sämtliche Wasseranwendungen
gilt, auch bei den Dämpfen Geltung hat, daß nämlich die gelindeste
Anwendung auch stets die beste ist. Die gelindeste Anwendung nenne ich die
einfachste und die den Körper am meisten schonende. Niemals werde ich
(z. B. zur Vermehrung der Naturwärme) irgend einen Dampf gebrauchen,
wo eine kleine Wasseranwendung, ein Guß oder ein Halbbad ausreicht;
niemals werde ich den ganzen Körper durch ein Ganzdampfbad quälen
und ausmergeln in Fällen, in denen Dämpfe auf einzelne Körperteile
genügen. Ne quid nimis, d. h. ich bleibe auch beim Dampfverfahren auf
der goldenen Mittelstraße: nichts der Natur abzwingen wollen, sondern
ihr an die Hand gehen, sie freundschaftlich stützen und durch kleine
Hilfsmittel einladen, daß sie selbst und allein und freiwillig den Dienst
tue.
Meine sämtlichen Dämpfe sind eigentlich nur Teildämpfe, d.
h. sie berühren direkt nur Teile des Körpers; dennoch bleibt keiner
derselben ohne Einwirkung auf den ganzen Körper. Gerade darin scheint
mir der große Vorteil zu liegen. Die Dämpfe berühren oder,
wenn man will, schwächen nur die leidende Körperstelle und lassen
den übrigen gesunden Körper intakt, unberührt, ungeschwächt.
Dieser behält seine volle Kraft und ruht, während der leidende,
vom Dampf angegriffene Teil in voller Arbeit ist, unterdessen gleichsam eine
Weile aus, um dem geschwächten Mitgenossen alsbald von seiner Kraft mitzuteilen.
Viele meiner Dampfanwendungen dienen lediglich dazu, den Wasseranwendungen
vorzuarbeiten, dieselben, z. B. durch Steigerung der Körperwärme,
zu ermöglichen, vielleicht wirksamer zu machen oder im Innern des Körpers
(z. B. durch
71
Auflösung in Luftröhre und Lunge) den von außen tätigen
Wasseranwendungen in die Hand zu arbeiten. Ganz selten nur kommt einer der
Dämpfe für sich allein als abgeschlossene ganze Anwendung vor.
Die notwendigen Vorsichtsmaßregeln bezüglich der Abkühlung,
Bekleidung, Bewegung enthält die spezielle Beschreibung der einzelnen
Dämpfe.
Noch muß ich warnen vor einer Täuschung.
Sehr oft kommt es vor, daß einer der verschiedenen Dämpfe, insbesondere
der Kopf- und Fußdampf, in besonderer Weise günstig wirkt. Sie
machen, weil sie stark auflösen und ausscheiden, sehr leicht, ungemein
behaglich, viele Patienten überaus froh und glücklich. Die Gefahr
liegt nahe, daß sie das Gute mißbrauchen, den betreffenden Dampf
zu häufig vornehmen und so unüberlegterweise ihrer Gesundheit großen
Schaden zufügen. Modus est in rebus! Nur immer weise Maßhaltung
sich zur Regel und Pflicht machen!
Zur Belehrung will ich einige besondere Fälle anführen.
Ein Rekonvaleszent nach Typhus oder einer anderen schweren Krankheit hat noch
bedeutende Anstauungen am oder im Kopfe oder anderswo. Dämpfe täten
da treffliche Dienste. Ganz gewiß, aber sehr sparsame und leichtere
Kopf- oder Fußdämpfe; denn wir haben es mit einem blut- und säftearmen
Individuum zu tun. Um ein Zündhölzchen auslöschen, brauche
ich keinen Schmiedeblasbalg, der leise Atem reicht aus.
Dasselbe gilt von allen blutarmen Personen. Die wärmenden Dämpfe
bereiten ihnen Wohlbehagen; zu viele Dämpfe aber wären ebenso viele
Blut-Wärme- und Lebenssauger.
Aber starke, korpulente Leute können sicherlich viele Dämpfe, vieles
Schwitzen ertragen?
Diese sehr oft am allerwenigsten, aus dem einfachen Grunde, weil sie blutarm
sind. Gerade bei solchen Individuen bin ich mit Dämpfen überaus
sparsam und greife mit Vorliebe nach den Wickeln, um auf gute Transpiration
(Ausdünstungen) der Haut hinzuwirken. Wo diese in Ordnung ist, ist Vielschwitzen
nicht notwendig.
Ein Patient klagt über heftige Schmerzen in den Füßen. Er
wünscht Fußdämpfe auf die ausgemergelten, spindeldürren
Beine. Wie töricht, wollte man seinem Wunsche willfahren! Ein solcher
in der Tat armer Häuter, wie die Tiroler bezeichnend sagen,
hat nichts Weiters auszuschwitzen und herzugeben. Man appliziere ihm statt
der Dämpfe Halbbäder und öftere Kniegüsse.
72
Die von mir angewendeten Dämpfe sind der Reihe nach folgende:
1. Der Kopfdampf.
Die Anwendung des Kopfdampfes erheischt einige kleinere Vorbereitungen. Zu
dessen Vornahme nämlich sind notwendig ein kleines Holzgefäß,
mehr tief als weit, mit Öhren, auf welche man bequem die Hände stützen
kann, und einem gut abschließenden Deckel; sodann zwei Stühle und
zum Zudecken des Behandelten eine größere Wolldecke. Von den Stühlen
dient der eine höhere zum Sitzen, der zweite niedrigere als Untergestell
des Holzgefäßes (Schaff, Schafferl, Kübel, Gelte).
Fig. 6.
Wenn all die genannten Gegenstände bereitstehen, wird das auf den niedrigeren
Stuhl gestellte Holzgefäß bis zu Dreiviertteilen angefüllt
mit strudelndem Wasser und mit dem Deckel und einem feuchten Tuche gut verschlossen,
damit bis zum Gebrauche möglichst wenig Dampf entweiche. Der Patient
hat den ganzen Oberkörper bis zu den Beinkleidern entblößt
und über diese als abschließende Binde ein trockenes Tuch gelegt,
um den niederrinnenden Schweiß aufzuhalten und das Naßwerden der
Beinkleider zu verhindern. Er setzt sich auf den größeren Stuhl
und stützt die flachen Hände auf die Öhren des Holzgefäßes,
den Oberkörper über das Gefäß hinneigend (s. Figur 7).
Fig. 7.
Oberkörper und Gefäß werden sodann mit der großen Wolldecke
locker, aber nach allen Seiten hin derart eingehüllt, daß auch
nicht durch die kleinste Öffnung Dampf entweicht. Jetzt erst entfernt
der Behandelnde, dem Behandelten gerade gegenüberbefindlich und von unten
her die Wolldecke etwas lüftend, in die Höhe hebend, den abschließenden
Deckel mit dem angefeuchteten Tuche; der Dampf dringt ungehindert wie ein
glühender
73
Strom auf Kopf, Brust, Rücken, auf den ganzen Oberkörper ein und
beginnt seine auflösende Arbeit.
Wer zur Aufsicht und Bedienung beigegeben ist, sorge wohl dafür, daß
schwächere Patienten, denen der Rücken leicht wehe tut, bequem sitzen,
eine gute Stütze im Rücken haben usw. Dagegen achte er nicht auf
Klagen und die verschiedenartigsten Ausrufe wie: Ich halte es nicht ferner
aus, mich muß der Schlag treffen u. a.
Im ersten Augenblicke mag mancher ob der ungewohnten Glühtemperatur erschrecken,
doch bald hat er sich an das tropische, das heiße Klima gewöhnt
und schnell einige kleinere Vorteile gefunden. Beim ersten Ansturme der hitzigen
Wolken suche er eine mehr aufrechte Stellung einzunehmen, den Kopf zu heben,
nach verschiedenen Richtungen zu wenden usw. Mit dem Angewöhnen und dem
Nachlassen der Hitze kehrt der Oberkörper in die vorgeschriebene, gebückte
Stellung zurück.
Zu befürchten hat man absolut nichts. Ich kenne nicht einen Fall, in
welchem der Kopfdampf, genau nach Vorschrift angewendet, im geringsten geschadet
hätte. Ich habe denselben den verschiedensten Personen in den verschiedensten
Krankheiten appliziert und stets gute Erfolge erzielt. Schaden zugefügt
haben nie die Dämpfe, wohl aber jene Selbstklugen sich selbst, welche
ohne alle Vorsicht und Regel taten, wie es ihnen gut dünkte, nicht wie
die Ordnung es vorschrieb. Eine Anwendung dauert 20-24 Minuten. Der Patient
soll während der ganzen Dauer nicht nur willig mit seinem Kopf herhalten,
er soll auch nach Vermögen Augen, Nase, Mund öffnen und an Dampf
einströmen lassen, was und wieviel er nur ertragen kann.
Nach Umlauf der Zeit von 20-24 Minuten wird die Wolldecke entfernt und der
ganze Oberkörper mit frischem Wasser kräftig abgewaschen. Der Patient
macht sich zur Winterszeit im Zimmer, zur Sommerszeit im Freien Bewegung,
bis die gehörige Trocknung und die normale Wärmetemperatur der Haut
eingetreten ist.
Ich schulde an dieser Stelle noch einige wichtige und nicht zu übersehende
Bemerkungen.
Der reine Wasserdampf wirkt auf manche Augen, ebenso beim Einatmen auf den
Magen zuweilen nicht ganz günstig. Deshalb mische ich dem heißen
Wasser stets Kräuter bei. Zunächst empfehle ich Fenchel, der sich
vortrefflich bewährte. Ein Löffel gemahlener Fenchel reicht aus
für eine Anwendung. Auch Kräuter von Salbei, Schafgarbe, Minze,
Hollunder, Spitzwegerich, Lindenblüten tun treffliche Dienste. Und wenn
dir auch
74
diese abgehen, so nimm eine Handvoll Brennesseln oder Heublumen und mische
sie bei; das Kräutchen mag verachtet sein, sein Dienst ist dennoch gut.
Bei gewöhnlichen Menschen tut der Dampf bald seine Wirkung; den meisten
derselben rinnen schon nach den ersten fünf Minuten die Schweißtropfen
von der Stirne, nach 8-10 Minuten perlen sie hervor aus allen Poren.
Es gibt jedoch Patienten - es sind in der Regel blutarme Individuen mit wenig
Naturwärme - bei denen der Dampf nicht so leichte Arbeit hat. Man hilft
nach, indem man im Herde ungefähr den sechsten Teil eines Ziegelsteines
glühend macht und denselben ca. 10 Minuten nach Beginn der Anwendung
in das Dampfbad bringt. Es braust gewaltig, und die Wolken steigen von neuem
dichter und lebhafter auf.
Unmittelbar nach beendigtem Kopfdampf, der wie die folgende Abkühlung
im Winter stets in erwärmten Räumen vorzunehmen ist, soll man es
nie wagen, ins Freie zu gehen ohne vorherigen kalten Abguß, wodurch
die durch den Dampf geöffneten Poren wieder geschlossen werden. Zur Winterszeit
verbleibe man vor solchem Austritt ins Freie noch ungefähr eine halbe
Stunde im gewärmten Zimmer, in demselben auf- und abgehend. Ohne diese
Vorsicht könnte man sich leicht nicht nur einen Katarrh, sondern unter
Umständen eine schwere, tödliche Krankheit zuziehen. Der genannte
kalte Abguß ist auf mehrfache Weise möglich. Die einfachste Art,
welche ich besonders bei schwächeren, fremder Hilfe bedürfenden
Personen empfehle, besteht darin, daß man mit einem Handtuche und frischem
Wasser den Patienten rasch abwäscht. Bei Kopfgeschwülsten, Ausschlägen
am Kopf, Ohrenfließen, überhaupt bei Leiden, welche große
Ausscheidungen aus dem Kopfe verlangen, muß beim ersten und zweiten
Kopfdampfe diese Art des Abgusses, vielmehr Abwaschens stattfinden. Die Folgen
des Versäumnisses, wie heftiges Ohrensausen usw., wären wenn auch
nicht gerade gefährlich, doch unangenehm. Bei den folgenden Anwendungen,
nach bereits erfolgten größeren Ausscheidungen aus dem Kopfe, kann
die zweite Art des Abgusses, der eigentliche Abguß an die Stelle der
Waschung treten. In Form des Obergusses werden 1-2 Gießkannen kalten
Wassers über die bedampften Stellen langsam gegossen, den Kopf, d. i.
die Haare ausgenommen; die Brust wird kräftig gewaschen. Das weitere
Verhalten ist dasselbe wie nach den Güssen, d. i. nach sorgfältiger
Abtrocknung des Gesichtes und der Haare zieht man, ohne den
75
übrigen Körper abzutrocknen, rasch die Kleider an und gibt sich
in Bewegung oder in Handarbeit bis zur völligen Trocknung und normalen
Erwärmung des Körpers.
Wer nach dem Kopfdampf Gelegenheit hat, rasch ein kaltes Vollbad von höchstens
einer Minute zu nehmen, macht seine Sache gleichfalls gut durch Benützung
solcher Gelegenheit.
Die Wirkungen dieser Anwendung sind bedeutende; sie erstrecken sich auf die
ganze Hautfläche des Oberkörpers, deren Poren sie öffnen, sodann
auf das Innere des Körpers, indem sie in der Nase, in den Luftröhren,
in der Lunge usw. auflösen und ausleiten. Bei Erkältungen durch
Nässe oder raschen Temperaturwechsel, bei Kopfleiden, Ohrensausen, rheumatischen
und krampfhaften Zuständen im Genick und auf den Schultern, bei Enge
auf der Brust, bei noch nicht vorgerücktem Schleimfieber, lauter Begleiter
und Begleiterinnen der verschiedenen Katarrhe, tut der Kopfdampf vorzügliche
Dienste. Zwei Anwendungen innerhalb drei Tagen bringen in der Regel vollständige
Heilung. Beginnende Katarrhe hebt gewöhnlich ein einziger Kopfdampf auf
und aus, sie mögen sitzen, wo sie wollen.
Wer einen aufgedunsenen Kopf, einen unverhältnismäßig vollen
Hals, angeschwollene Halsdrüsen hat, nehme wöchentlich zwei bis
drei solcher Dämpfe. Bei Augenentzündungen, welche von Kälte,
Erkältungen usw. herrühren, und bei Triefungen tue man ebenso. Der
letztere Patient darf noch größeren Erfolg hoffen, wenn er am Abende
des Tages, an welchem er dem Kopfe den Dampf gibt, seinen Füßen
ein viertelstündiges warmes Fußbad mit Asche und Salz verabreicht.
Bei Kongestionen, selbst nach Schlaganfällen, habe ich den Kopfdampf
mit den günstigsten Erfolgen angewendet. Man läßt sich bei
diesen freilich heikeln Fällen von der Meinung täuschen und beängstigen,
als ziehe so ein Dampf noch vollends alles Blut in den Kopf. Die Furcht ist
unbegründet. Indessen habe ich selbst die Praxis - und ich rate dieselbe
in den genannten zwei Fällen einem jeden an -, die Anwendung stets auf
15-20 Minuten zu beschränken und dem Dampfe auf den Kopf tunlichst bald
einen Dampf auf die Füße folgen zu lassen.
Da der Kopfdampf stark auflösend wirkt und allzu reichliche Schweißbildung
leicht allzusehr schwächen könnte, so darf diese Anwendung nicht
zu oft vorgenommen werden. Als Regel soll gelten, daß man die Zahl 2
in der Woche nicht überschreite. In seltenen Fällen, in welchen
ganz besondere Auflösungen
76
und Ausscheidungen notwendig sind, kann eine Woche hindurch der Kopfdampf
jeden zweiten Tag zur Anwendung kommen, jedoch mit verkürzter Dauer (Minimum
[geringste Zeit] 15 Minuten, Maximum [längste Zeit] 20 Minuten).
2. Der Fußdampf.
Die Arbeit welche der Kopfdampf am Oberkörper vornimmt, leistet der Fußdampf
dem Unterkörper, in erster Linie den Füßen.
Die Anwendung geschieht folgendermaßen:
Über den zum Sitzen bereit gehaltenen Stuhl wird der Länge nach
eine ziemlich breite und dichte Wolldecke ausgebreitet. Darauf setzt sich
der zu Behandelnde mit bekleidetem Oberkörper, mit entkleideten Füßen
(Beinen). Vor ihn kommt wie zum Fußbade das mit heißem Wasser
etwas über die Hälfte gefüllte Holzgefäß zu stehen.
Es ist das auch zum Kopfdampf benützte Gefäß (a).
Fig. 8.
Fig. 9.
Auf dem oberen Rande desselben, zu beiden Seiten der Öhren liegen zwei
schmale Holzstäbe, auf welche der zu Behandelnde die Füße
bequem aufstellen kann. Man suche dieselben durch irgend eine kleine Vorrichtung
zu befestigen, daß die Gefahr des Nachgebens und des Verbrühens
der Füße den Patienten nicht ängstigt.[13] Hat dieser sodann
seine Stellung eingenommen und steht das dampfende Wasser vor ihm, so wird
die dichte Wolldecke derart um die Beine und das Holzgefäß gelegt,
daß kein Dampf unbenützt verloren geht und durch eine große
Wollröhre das warme Element von unten nach oben, zu den Füßen,
zu dem Unterleibe und weiter aufsteigt.[14] (s. Fig. 10.)
Fig. 10.
Zu den Fußdämpfen benütze ich in der Regel leichtere strudelnde
Absude von Heublumen. Wie beim Kopfdampfbade, so kann ich bei dieser Anwendung
den Dampf und damit die Wirkung steigern, indem
77
ich nach je 5 oder 10 Minuten das glühende Stück eines Ziegelsteines
in das heiße Wasser sachte und vorsichtig einsenke. Man lasse die Steine
ja nicht ins Wasser fallen; dieses müßte ein Spritzen und Brandwunden
absetzen. Die Zahl der glühenden Ziegelstücke, sowie die Dauer des
Fußdampfes richten sich genau nach dem höheren oder geringeren
Grade der Wirkung, welche man erzielen will. Oft soll lediglich der untere
Teil der Füße in Schweiß gebracht werden, wie z. B. bei Fußschwitzern;
manchmal aber sucht man die ganzen Füße, die Schenkel inbegriffen,
öfters den ganzen Unterleib, zuweilen den ganzen Körper durch einen
Fußdampf in Schweiß zu bringen. Viele habe ich gesehen, denen
bei dieser höchst einfachen und primitiven Anwendung der Schweiß
von der Stirne rann wie bei der forciertesten (angestrengtesten) Schwitztour
unter 2-3 Federbetten. Bei den leichtesten Anwendungen wird ein glühendes
Ziegelstück und eine Zeitdauer von 15-20 Minuten genügen; um die
größte Wirkung eines eigentlichen Schwitzdampfbades zu erzielen,
wird es notwendig werden, die glühende Masse alle 5-10 Minuten zu erneuern
und die Anwendung bis zu 25 und 30 Minuten auszudehnen.
Dem Dampfbade folgt stets die kalte Abkühlung, welche sich ganz richtet
nach der Ausdehnung der schwitzenden oder in Schweiß gebadeten Stellen.
Füßen, welche nur bis an die Knie schwitzen, genügt eine rasche
kalte Abwaschung mit einem Linnentuche, kräftigeren Naturen ein Knieguß.
Bei mitschwitzenden Schenkeln und Unterleib reicht ein Halbbad aus. Ist der
ganze Körper in Mitleidenschaft gezogen, so muß auch der ganze
Körper entweder durch ein Halbbad mit Waschung des Oberkörpers oder
durch ein Ganzbad oder durch eine Ganzwaschung abgekühlt werden. Die
Regeln über die Vornahme dieser Anwendung lese man an den betreffenden
Stellen (bei den Bädern und Waschungen), die Regeln über das Verhalten
nach dem Fußdampfe beim Kopfdampfe nach. Sie gelten auch hier ohne allen
Unterschied.
78
Die Anwendung des Fußdampfes geschieht vornehmlich bei den verschiedenartigsten
Fußleiden, so bei starken übelriechenden Fußschweißen,
wo es gilt, die faulen Säfte aufzulösen und auszuleiten; bei angeschwollenen
Füßen, die auf Säfte und Blutstauungen schließen lassen;
bei kalten Füßen, in denen die Transpiration auf Nullgrad steht
und zu denen das Blut sozusagen den Weg nicht mehr findet. Diese Dämpfe
wecken neue Tätigkeit und bringen frisches Leben, sind zuweilen auch
nur, wie bei den einzelnen Krankheiten gesagt werden wird, notwendige vorbereitende
Übungen, welche anderweitigen Wasseranwendungen die Wege ebnen und deren
Erfolg sichern.
Wer an Nagelgeschwüren, eingewachsenen Nägeln usw. leidet, wer Blutvergiftung
befürchten muß, z. B. wegen unglücklicher Behandlung von Hühneraugen,
Ausreißen von Nagelwurzeln usw., lasse sich baldigst diesen Dampf bereiten.
Gesteigerte Anwendungen, welche mehr oder weniger auf den ganzen Körper
wirken sollen, kommen vor bei krampfartigen, besonders durch Erkältung
entstandenen Leiden des Unterleibes; bei Kopfleiden, deren Ursache auf Kongestionen,
zu heftigen Blutandrang nach dem Kopfe zurückzuführen ist.
Bei blutarmen Individuen, denen vor dem Beginne irgend einer Kaltwasseranwendung
mehr Wärme einzupumpen ist, haben mir leichtere Fußdämpfe
sehr oft große Dienste erwiesen.
Als Regel bezüglich der Wiederholung dieser Anwendung gilt wie beim Kopfdampfe,
daß man damit recht sparsam sei. Einmal, zweimal in der Woche wird man
öfters, dreimal nur selten lesen, letzteres nur bei Einzelfällen,
welche stets diese Notiz ausdrücklich enthalten müssen.
Nun noch eine Bemerkung!
Oft schon sind mir Klagen zugekommen wegen der zu großen Umständlichkeit
der von mir verordneten Dämpfe. Ich frage jeden Wohlmeinenden: Was ist
einfacher, mein Fußdampf oder ein Schwitzbad nach so und so vielen Tassen
heißen Tees, nach so und so vielstündiger Tortur, unter so und
so vielen Federbetten, ein Schwitzbad, welches selten, fast nie vorübergeht
ohne die heftigsten Kopfschmerzen und anderes Weh!
3. Der Leibstuhldampf.
Dieser Dampf tut seiner leichten Bereitung, bequemen Applizierung und überaus
schuldlosen, d. i. ungefährlichen Wirkung wegen besonders in Krankheiten
große Dienste. Selbst
79
Schwerkranke, bei denen wegen Schwäche oft sehr schwer der erwünschte
Schweiß zu erzielen ist, können auf diese Weise recht leicht zum
Schwitzen gebracht werden.
In den irdenen oder blechernen Topf des Leibstuhles wird die strudelnde Mischung
geschüttet. Der Patient setzt sich, die Bedienung sorgt, daß kein
Wölkchen des wohltuenden Rauches unnütz entweicht. Rasch steigt
der heiße Qualm zum Körper auf und erzeugt in Bälde schwächeren
oder stärkeren Schweiß, der sich manchmal zu einem förmlichen
Schwitzbade, d. h. zu einem allgemeinen Schwitzen des ganzen Körpers
steigert. Die Anwendung dauert 15-20 Minuten. Erscheint es notwendig, den
Kranken in länger dauerndem Schwitzen zu erhalten, so bringt man (da
das Sitzen beschwerlich und der Dampf vielleicht für längere Dauer
nicht wirksam wäre) ihn zu Bette; es wird ohne jede besondere Auflage
die Schweißkur, d. i. das Schwitzen, fortdauern. Nach dem Dampfe soll
eine Ganzwaschung, ein Halbbad mit Abwaschung des Oberkörpers oder ein
Vollbad je nach Können des Patienten die ganze Anwendung beschließen.
Bei Schwerkranken wird stets die Ganzwaschung am leichtesten und ungefährlichsten
vorgenommen werden können.
Die Wirkung des Leibstuhldampfes ist, wie von selbst einleuchtet, auflösender
und ausleitender Natur. Die Ausscheidungen geschehen in Form und durch Abgang
des Schweißes. Niemals benütze ich für diese Dämpfe das
Wasser allein; stets mische ich Kräuter bei und zwar wieder die bekannten
Kräuter von Heublumen, von Haferstroh, vor allen andern indessen von
Zinnkraut.
Bei Nieren- und Steinleiden wende ich Dämpfe an von Haferstrohabsud;
bei krampfhaften oder rheumatischen Zuständen des Unterleibes, bei Blasengeschwüren,
bei beginnender Wassersucht solche von Heublumenabsud.
Wie die Dämpfe mit Anwendung von Kaltwasser wechseln, lese man nach im
III. Teile bei den einzelnen Krankheiten.
Die auffallendsten und erstaunlichsten Erfolge habe ich erzielt mit Dämpfen
von Zinnkrautabsud in all den höchst peinlichen Fällen, in
welchen das Urinieren (Wassermachen) unmöglich wurde und infolgedessen
die entsetzlichsten, wahnsinnigsten Schmerzen den armen Patienten quälten
und fast zur Verzweiflung brachten. Die meist durch Erkältung und Entzündung
entstandenen krampfhaften Zustände der Blase wurden durch den heißen
Zinnkrautdampf
80
in verhältnismäßig kurzer Zeit gehoben, und das Organ tat
wie früher seine reinigenden Dienste.
4. Besondere Dämpfe auf einzelne kranke Stellen.
Im Wechsel mit anderen Wasseranwendungen dienen in vielen Fällen die
Dämpfe sehr gut bei Leiden an den Augen, in den Ohren, im Mund, an den
Fingern, an der Hand, am Arme, an den Zehen, am Fuß usw. Einige Beispiele
mögen dieses klar machen.
Ein giftiges Insekt sticht in die Hand, in den Arm, das Glied schwillt an
und schmerzt heftig, die Entzündung droht um sich zu greifen usw. Im
Vereine mit Hand- und Armwickeln werden Dämpfe auf die leidende Stelle
bald Linderung der Schmerzen und Hilfe bringen. Zu dem Zwecke hält man
die Hand oder den Arm über ein Gefäß, welches das strudelnde,
dampfende Wasser enthält.
Wegen irgend einer durch Giftstoffe verunreinigten Wunde droht Blutvergiftung;
es ist Gefahr im Verzuge. Rasch soll ein auflösender und ausleitender
Hand- oder Fußdampf bereitet werden.
Es wird jemand von einem tollwutverdächtigen Hunde gebissen. Bevor ein
Arzt und andere Hilfe zur Hand sind, kann rascher durch Dampf dem Gefährdeten
wenigstens vorläufige Hilfe gebracht werden.
Heftige Krämpfe quälen ganz bestimmte Stellen an Händen und
Füßen. Man säume nicht, sie bedampfen zu lassen.
Zu äußeren Anwendungen der genannten Arten verwende ich in der
Regel Absude von Heublumen.
Für Augendämpfe dient sehr gut Absud von Fenchelpulver oder Augentrost
oder Schafgarbe;
für Ohrendämpfe Absud von Taubnesseln oder Brennesseln oder Schafgarbe;
für Verschleimung im Halse Absud von Schafgarben oder Spitzwegerich oder
Brennesseln.
Bezüglich der Anwendungszeit überschreite man 20 Minuten nie; die
kürzeste Dauer umfaßt 10 Minuten.
Jene Dämpfe, welche zum Einatmen dienen, nach innen wirken oder die Augen
und Ohren betreffen, sollen vorsichtigerweise niemals übermäßig
warm oder gar heiß genommen werden.
D. Gießungen.
Die bei mir zur Anwendung kommenden Gießungen (Güsse) sind folgende:
1. Der Knieguß.
Die Füße werden bis über die Knie entblößt, die
Beinkleider möglichst weit zurückgeschlagen und, um sie vor Nässe
zu schützen, gegen die zu begießenden Stellen zu mit einem Tuche
(Handtuche) bedeckt. Man setzt sich sodann auf einen Stuhl und stellt beide
Füße ähnlich wie beim Fußbade in ein bereitstehendes
Gefäß. (s. Abbildung.)
Fig. 11.
Wer sich aber stehend den Guß geben läßt, handelt nicht schlechter.
Der Guß geschieht mit einer kleinen Gießkanne, am besten mit einer
Treibhausgießkanne, die mit einer Hand leicht dirigiert wird. Die erste
Kanne, die schneller und voller strahlend ausgegossen werde, benetzt beide
Füße, von den Zehen bis über die Knie. Die folgenden Kannen
bespülen in schwachem Strahle, der bald höher, bald tiefer auffällt,
einzelne Fußstellen, besonders die Kniescheiben (in der Mitte, rechts
und links davon) und die Waden in einer Art, daß das Wasser über
die Beine ziemlich gleichmäßig hinunterläuft. Der Inhalt der
letzten Kanne wird nicht gegossen, sondern aus der größeren Öffnung
in zwei oder drei Malen über die Füße wie zur Abspülung
hingeschüttet. Zu einem Kniegusse können 2-10 Gießkannen verwendet
werden.
Kranke, Schwächlinge halten den Guß beim ersten Anprall sehr schwer
aus. Kein Anfänger tut sich ganz leicht. Schon Männer, welche zuerst
über das Bagatellverfahren witzelten, dann die elektrischen Schlägen
gleichende bis ins Innerste hinein erschütternde Wirkung verbeißen
wollten, habe ich wie Espenlaub zittern und vor Schmerz weinen sehen. Es ist
das der beste Beweis für die elektrisierende, auffrischende, stärkende
Kraft dieses Gusses.
Rekonvaleszenten, blut- und säftearmen Personen, - allen, deren Fußknochen
nicht kernige Muskeln, sondern nur dünne, armselige Fleischmäntelchen
tragen, rate ich die erste
82
Zeit nie mehr als 2-3 Gießkannen; auch bei jedem Anfänger soll
das erste Mal die Zweizahl nicht überschritten werden. Sie können
in den folgenden Tagen auf 4-6 und noch später auf 8-10 Kannen steigen.
Nach 8-10 Kniegüssen ist jedes Schmerzgefühl verschwunden. Mit Behagen,
mit einem gewissen Sehnen erwartet man den nächsten Strahl, der in so
kurzer Zeit die verweichlichten Füße so bedeutend gestärkt
hat.
Der Knieguß kommt regelmäßig nur in Verbindung mit dem Oberguß
vor. Man lese deshalb nur das vom Oberguß Gesagte.
2. Der Oberguß.
Der zu Behandelnde entkleidet sich bis auf die Beinkleider. Das Einfließen
des Wassers in letztere hindert ein übergelegtes, abschließendes
Tuch. Das Gefäß, in welches das Wasser abfließt, dann statt
auf der Erde auf einem Stühlchen stehen. Das Bücken wird stärkeren
Personen dadurch leichter gemacht; auch der Kopf wird geschont, d. i. durch
dessen mehr gehobene Haltung der Blutandrang zu demselben gemindert. Der Patient
stützt beide Hände auf den Boden des Gefäßes, so daß
der Oberkörper eine horizontale Lage annimmt und das Wasser beim Gießen
ins Gefäß abfließt. (s. Abbildung.)
Fig. 12.
Fig. 13.
Die erste Kanne verbreitet sich, ausgehend vom rechten Arm und der rechten
Schulter, über den ganzen Rücken bis zur linken Schulter und dem
linken Oberarm (a). Sie dient in erster Linie zur Anfeuchtung der ganzen Gußstelle.
Die zweite (b), ebenso die dritte Kanne (c) bewegen sich hauptsächlich
über das große sympatische Nervengeflecht zu beiden Seiten des
7. Halswirbels, sodann über den ganzen Rücken und das Rückgrat,
stets abschließend mit einem der beiden Oberarme. Die ganze Gußstelle
soll 3-4 mal gleichmäßig übergossen werden, der Begossene
gleichsam 3 Wasserauflagen bekommen, welche über den
83
Oberkörper, über die Brust in das Gefäß abfließen.
Der Kopf werde möglichst geschont, der Hals dagegen tüchtig begossen.
Wer lange Haare hat, dessen Kopf greife ich gar nicht an; wer kurze Haare
hat, den begieße ich zart und wenig. Bei nervösen Personen sei
man achtsam, daß der Rückgrat oder auch nur eine Stelle desselben
zu stark oder zu lange begossen werde. Der Strahl würde fast wie ein
stechendes Messer empfunden und nicht ertragen werden, wenn auch durchaus
keine Gefahr ist. Je nach Bedarf und Absicht läßt der Begießende
den Strahl voller oder geteilter, höher oder tiefer, d. i. stärker
oder schwächer auffallen. Zugleich habe er ein Ohr, ob der Patient über
besondere Schmerzen an irgend einer einzelnen Stelle klagt, und ein Auge,
ob er vielleicht Symptome von Ausschlägen, Geschwüren, Blutanstauungen
(blaue Flecken), Blutwülsten usw. gewahr wird.
Je gleichmäßiger das Wasser über die begossenen Teile läuft,
um so leichter ist der Guß auszuhalten, und um so schneller tritt an
allen Stellen gleichmäßige Wärme ein.
Es gibt Personen (darunter zählen insbesondere diejenigen, welche entweder
schon stark beleibt sind oder zum Starkwerden Anlage haben), bei denen man
lange auf Reaktion warten kann. Man sieht dieses daran, daß die Haut
weiß, farblos bleibt, wie vor dem Gusse, nicht rot wie vom aufgescheuchten,
geweckten, den begossenen Stellen zuströmenden Blute. Da helfe ich dadurch
nach, daß ich nach der ersten Kanne den nassen Rücken leicht mit
der Hand abwasche und durch diese kleine Reibung die Haut zur Tätigkeit
reize. Beim dritten und vierten Gusse schon ist in der Regel vollständige
Reaktion vorhanden.
Bei schwächlichen Personen reicht zum Gusse eine Kanne aus.
Anfänger traktiere man mit 1 oder 2, Fortgeschrittene mit 2-3, Gesunde
und Kräftige mit 5-6 Kannen. Übertreiben soll man bei vorhandenem
Wohlbehagen in keinem Falle.
Nach dem Gusse wasche man sich schnell die Brust, trockne die Hände und
das Gesicht, ziehe rasch, ohne sonst irgend abzutrocknen, die Kleider an und
begebe sich in Bewegung oder an die Arbeit.
Der Oberguß ist (wenn nicht eine Abwaschung stattfindet) stets notwendig
nach dem Kopfdampf.
84
Sonst kommt er regelmäßig vor in Verbindung mit dem Knieguß,
und zwar in der Reihenfolge, daß zuerst er und nach vollständiger
Bekleidung des Oberkörpers der Knieguß vorgenommen wird.
Beide Güsse zählen mit zu den Abhärtungsmitteln; sie wirken
erwärmend, (gleichmäßige Zirkulation des Blutes), stärkend,
förmlich elektrisierend und können von Personen beiderlei Geschlechts
ohne allen Nachteil angewendet werden.
Ich kenne solche, welche jeden Morgen beim Aufstehen sich selbst beide Güsse
applizieren. Sie nehmen zuerst den Oberguß vor, indem sie durch geschickte
Handhabung der kleinen Kanne sich das Wasser über den Rücken laufen
lassen, noch besser, indem sie sich in der Waschküche oder in einem Badelokal
den Wasserhahn klein drehen und den mäßigen Strahl auf den Rücken
spielen lassen. Sie wandern unter dem Strahl einher, wie es ihnen selbst beliebt
und wohltut. Hernach richten sie den Hahn oder die Kanne ebenso auf die Knie.
In 5 Minuten ist alles vorüber und dem ganzen Körper eine große
Wohltat erwiesen.
Wer sich scheut, den Guß von einem andern zu erbitten, und dazu selbst
die Gewandtheit nicht besitzt, wasche sich den Oberkörper mit recht kaltem
Wasser. Dann stelle er die bis über die Knie entblößten Füße
in ein zum Teil mit Wasser gefülltes Gefäß, schöpfe mit
was immer von dem Wasser und schütte
85
dieses langsam über die Knie und den untern Fuß. Selbst bei dieser
primitiven Selbstverabreichung der beiden Güsse wird die Wirkung nicht
fehlen.
4. Der Rückenguß
bildet die Fortsetzung des Obergusses und wird angewendet, wenn in besonderer
Weise auf das Rückgrat stärkend eingewirkt werden soll. Auf die
Förderung der Blutzirkulation ist sein Einfluß gleichfalls sehr
günstig und stärker als jener des Obergusses.
Wie beim Obergusse führt man den Strahl, der höher oder tiefer,
schwächer oder stärker ausfallen kann, von dem einen Schulterblatte
zum andern und lässt ihn 3 bis 6, bis 8 Gießkannen besonders auf
die Rückensäule spielen, vom obersten Halswirbel angefangen bis
hinunter zu den Steißwirbeln.
Rasches Abwaschen von Brust und Unterleib, dann der Arme und Beine soll den
Rückenguß stets beschließen.
Am einfachsten wird es sein, wenn der zu Begießende in Badehose oder
in einem Badehemd über der Badewanne sitzt. An den Wechsel des Hemdes,
rasche Ankleidung usw. braucht kaum erinnert zu werden. (s. Abbildung)
Fig. 14.
4. Der Unterguß
bildet die Fortsetzung des Kniegusses gegen den Unterleib zu und besteht darin,
daß außer den beim Knieguß begossenen Fußstellen die
Schenkel mit in Behandlung gezogen werden.
Fig. 15.
Die Wirkung dieses Gusses ist die erhöhte Wirkung des Kniegusses. Sehr
gut könnte er jederzeit diesen letzteren vertreten. Der Unterguß
muß regelmäßig nach dem Fußdampfe erfolgen, wenn nicht
etwa das Halbbad oder das Knien in die Badewanne vorgezogen wird.
Jeder ist imstande, sich selbst den Guß zu applizieren. Geschieht es
durch einen anderen, so gilt auch hier das beim Rückenguß gesagte.
(s. Abbildung.)
86
5. Der Ganz- oder Vollguß
erstreckt sich, wie der Name besagt, auf den ganzen Körper, vom Hals
bis zu den Fußspitzen.
Derselbe wird folgendermaßen erteilt:
Der Patient sitzt in der Badewanne oder in einem weiten Holz- oder Blechgefäß
auf einem schmalen Brettchen, bekleidet mit Badehosen oder dem Badehemde.
Wer ihn kniend oder stehend nehmen will, trifft auch keine schlechte Wahl.
Der Guß geschieht zum Teil von der Rückseite, zum Teil von der
Vorderseite mit ungefähr 4 Gießkannen Wasser. Die erste
Kanne netzt den ganzen Körper an. Die weiteren drei und mehr Kannen werden
in der Art verwendet, daß der Strahl nach allen Körperteilen hinzielt,
vorzüglich nach dem Rückenmark und den Hauptnervengeflechten, also
ins Genick und zu beiden Seiten desselben, sodann in die Magengegend (Magengrube,
Sympatikus in der Magengegend).
Fig. 16.
Gesunden, besonders korpulenten Personen, ist dieser Guß sehr zu empfehlen.
Er härtet ab, steigert die Zirkulation des Blutes, kräftigt und
hebt diese blutarmen und wasserscheuen Individuen aus ihrer übergroßen
Empfindsamkeit und Empfindlichkeit heraus.
Wer sich kalt fühlt und wem fröstelt, der darf den Guß nicht
nehmen, er stelle denn zuerst die richtige Naturwärme her, sei es durch
Bewegung, sei es durch künstliche Nachhilfe, etwa den Fuß- oder
Kopfdampf. Sonst aber kann er Sommers und Winters vorgenommen werden, im Winter
selbstverständlich in einem gewärmten Lokale.
Bei Kränklichen und Schwächlichen darf, ja soll das Wasser etwas
temperiert (abgeschreckt) werden und wenigstens die
Temperatur haben, welche das Wasser in Badeanstalten zur Sommerszeit hat (15-18°C.).
Die Berichte der einzelnen Krankheiten enthalten, in welchen Fällen und
wie oft der Ganzguß anzuwenden sei. Ich ziehe denselben vielfach dem
Vollbade vor und verwende ihn statt desselben da, wo ich durch Aufgießen
auf eine besonders leidende Stelle in nachhaltiger Weise einwirken will. Bei
Rheumatismen geschieht dieses ziemlich oft.
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Kranken, bei denen ich besonders starke Auflösungen und Ausleitungen
erzielen möchte, gebe ich nach dem Vollgusse noch folgende Anwendung.
Das durch den Guß naß gewordene Hemd wird rasch so ausgewunden,
daß es nicht mehr träufelt, und dann als Wickel benützt (s.
Wickelungen), in welchem der Patient 1 bis 1½ Stunden bleibt. Andernfalls
muß es selbstverständlich ausgezogen und durch trockene Wäsche
ersetzt werden. Der Patient selbst macht sich Bewegung, bis er völlig
warm und trocken ist.
Hier nur eine flüchtige Bemerkung. Die an manchen Orten üblichen,
hoch und deshalb sehr stark auffallenden Güsse und
heftigen Duschen habe und billige ich nicht. Ich sehe absolut nicht ein, was
so gewaltige Wasserschläge bei Gesunden und erst bei Kranken erzielen
sollen. Zum Waschen des Körpers braucht man keine Feuerspritze; wem würde
solches einfallen?
Zum Begießen sind diese förmlichen Wasserstürme nicht notwendig;
denn entweder ist die Krankheit heilbar und so durch geringere Anwendung ihr
beizukommen, oder sie ist nicht heilbar; dann würde diese schroffe Behandlung
auch nichts nützen, eher schaden.
E. Waschungen.
Die Waschungen teilen sich in Ganzwaschungen und in Teilwaschungen. Von beidem
wird im folgenden die Rede sein. Im allgemeinen kann vorausgeschickt werden,
daß die Grundsätze bezüglich des Frottierens, des Nichtabtrocknens
auch hier gelten. Bei einer jeden Waschung liegt die Hauptsache (der Schwerpunkt)
darin, daß der ganze Körper oder der einzelne zu waschende Teil
gleichmäßig naß werde. Vom Gerieben-, Geknetetwerden ist
nirgends die Rede. Wenn zuweilen bei den Krankheiten von kräftiger Abwaschung
gesprochen wird, so verstehe ich darunter stets eine schnelle Handlung, bei
der man nicht zögert und zaudert. Diejenige Ganz- oder Teilwaschung wird
die beste sein, die am gleichmäßigsten geschieht und am kürzesten
dauert; über 1, längstens 2 Minuten darf keine währen. Darnach
mag man beurteilen, wie sehr mein Verfahren von den in gewissen Anstalten
geübten verschieden ist, und man verschone mich mit dem Vorwurfe, daß
ich die Patienten unmäßig lange im kalten Wasser belasse, was den
also Mißhandelten Rheumatismen, Gelenkrheumatismen u. a. notwendigerweise
zuziehen müsse. Ich sündige wahrlich nicht durch ein Übermaß.
Noch sei bemerkt und eingeschärft wie beim kalten Vollbade: wessen Körper
kalt ist, wen fröstelt oder friert, der
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nehme nie eine Waschung, vor allem nie eine Ganzwaschung vor. Die ohnedies
geringe Naturwärme würde so noch bedeutend geschwächt und nur
schwer und lange nicht ersetzt werden. Fieber, Katarrh und anderes müßten
die unausbleiblichen Folgen sein.
1. Die Ganzwaschung.
a) Die Ganzwaschung für Gesunde.
Die Ganzwaschung erstreckt sich, wie der Name besagt, auf den ganzen Körper
(den Kopf ausgenommen), welcher von oben bis unten in einem Zuge gewaschen
wird.
Am leichtesten geschieht sie in folgender Weise:
Man nimmt ein rauhes, grobes Handtuch (mit dem kleinen Badeschwamm geht es
zu langsam), taucht es ins kalte Wasser und beginnt die Waschung an Brust
und Unterleib. Dann kommt die Reihe an den schwerer zugänglichen Rücken.
Eine Regel über das Wie der Rückenwaschung läßt
sich nicht geben. Ein jeder wird bald selbst den Vorteil finden, wie er dem
ganzen Rücken schnell und leicht beikommt. Den Abschluß bildet
die Waschung der Arme und Beine (Füße). Alles muß in einer,
längstens in zwei Minuten fertig sein. Jede Waschung, die darüber
währt, kann vom Übel sein. Zudem hüte man sich, die Waschung
an einem Orte vorzunehmen, an dem der Körper der freien Luft ausgesetzt
ist. Das hieße sich absichtlich verderben wollen.
Ohne abzutrocknen zieht man möglichst rasch die Kleider an und sucht
Arbeit oder Bewegung bis zur völligen Erwärmung und Trocknung der
Haut.
Wann und wie oft können Gesunde die Ganzwaschung vornehmen?
Einmal, in der Frühe nämlich, wäscht sich jedermann Gesicht
und Hände. Auch die Ganzwaschung wäre in der Morgenfrühe gleich
beim Aufstehen vortrefflich angebracht. Da ist die Naturwärme, weil durch
die Bettwärme gesteigert, am stärksten; die Waschung wäre eine
angenehme Abkühlung, Auffrischung, die sofort den Halbschlaf vertreiben
und schon beim Beginne des Tagewerkes tüchtig, lebendig und frisch machen
würde. Von Zeitverlust kann da nicht die Rede sein, denn in einer Minute
ist die Ganzwaschung geschehen und es kann sofort zur Arbeit geschritten werden.
Wie mancher in der Stadt macht im Frühjahr und im Sommer seinen Morgenspaziergang!
Er probiere vor
89
demselben die Ganzwaschung. Ich bin überzeugt, ich brauche ihn zum zweiten
Male nicht aufzumuntern.
Solche, welche nach dem Ganzbade weder Bewegung machen noch an eine Arbeit
gehen können und darin eine Entschuldigung suchen, tun unklug. Sie sollen
die Ganzwaschung ruhig vornehmen und sich nach derselben noch ein Viertel-
oder ein halbes Stündchen zu Bette legen. Auch dieses geht an.
Wer es über sich bringt, - es ist eine so kleine Überwindung! -
eine Zeit lang täglich oder wenigstens alle 2-3 Tage seinem Körper
diesen Dienst zu erweisen, der dient demselben in Wahrheit gut und erwirbt
sich selbst den besten Lohn.
Hat jemand in der Morgenfrühe keine Zeit, so ist jede Tagesstunde eine
gute Stunde zur Waschung. Man ziehe sich 2, 3 Minuten in seine Schlafkammer,
in die Waschküche usw. zurück, und die wohltuende Arbeit ist vorüber.
Daß wir doch nicht so überaus bequem und wasserscheu wären!
Wenn der Schmied und Schlosser seine Werkstatt schließt, so wäscht
er sich den Ruß und den Kohlenstaub vom Gesichte; wenn der Landmann,
der auf Reinlichkeit was hält, vom Felde heimkehrt, so wäscht er
sich die Hände und nimmt zur heißen Sommerszeit vor jeder andern
Erfrischung einen Schluck Wasser, um sich Mund und Gaumen auszuspülen.
Wie gut wäre es erst, wenn beide nach dem ermüdenden Tagewerke den
letzten Schweiß sich in einer Ganzwaschung abwischen würden! Ich
wünschte, diese erquickende und stärkende Übung wäre vielmehr
bekannt.
Nachts vor dem Schlafengehen kann nicht jeder eine Wasseranwendung vornehmen,
da diese manche Personen aufregt. Wer sie ertragen mag, verliert gerade da
die wenigste Zeit und wird fester und ruhiger schlafen, als er sonst gewöhnt
ist.
Gar vielen, welche nachts nicht einschlafen konnten, habe ich statt der Ganzbäder
die leichtere Ganzwaschung und meistens mit gutem Erfolge empfohlen.
Zur Winterszeit rate ich stets an, zuerst ungefähr 10 Minuten ins Bett
zu liegen und erst, nachdem der ganze Körper warm geworden, die Waschung
vorzunehmen.
b) Die Ganzwaschung für Kranke.
Gerade bei Kranken habe ich stets die Erfahrung gemacht, nicht nur wie wenig
die Reibungen, Frottierungen usw. nützen, sondern auch wie sie vielmehr
gar oft schaden durch ungleichmäßige Erwärmung, durch Aufregung
u. a.
90
Vor allem dringe ich bei der Ganzwaschung der Kranken darauf, einmal, daß
der ganze Körper, die Fußsohlen sogar inbegriffen, gewaschen werde,
und dann, daß er gleichmäßig gewaschen werde: gleichmäßig
sowohl in Bezug auf das an alle Stellen des Körpers verwendete Quantum
Wasser, als auch in Bezug auf die Reibung, die mit jedem, selbst dem gelindesten
Waschen verbunden ist. So nur wird die Naturwärme sich gleichsam natürlich,
ungezwungen, gleichmäßig bilden; bei den angedeuteten Unregelmäßigkeiten
müßte ihr Eintreten ebenfalls unregelmäßig, an den verschiedenen
Stellen verschieden und, wenn nicht gerade von schädlicher, doch weniger
günstiger Wirkung sein.
An Kranken lasse ich die Waschungen stets in folgender Weise vornehmen: Der
Kranke setzt sich im Bette auf oder wird, wenn er allzu schwach ist, aufgesetzt
und gestützt. Man wasche ihm schnell den Rücken, die ganze Wirbelsäule
auf und ab. Das ist die Arbeit einer halben Minute, und der Kranke legt sich
nieder. Jetzt wäscht man Brust und Unterleib; noch kräftige, nicht
allzusehr geschwächte Personen tun dieses in der Regel selbst. In längstens
einer Minute ist auch dies geschehen. Nun kommen die Arme an die Reihe und
endlich die Beine. In drei, längstens vier Minuten ist alles vorüber,
und der Kranke fühlt sich wohl, ja wie neugeboren.
Wie ich jedem, selbst dem schwer Erkrankten täglich Gesicht und Hände
waschen kann, gerade so leicht kann ich mit gutem Willen und mit liebevoller
Sorgfalt diese Waschung vornehmen. Das zweite und dritte Mal wird auch die
Praxis schon eine bessere und größere sein.
Sollte einem Schwerkranken die Waschung des ganzen Körpers in der Tat
auf einmal zu viel sein, dann teilt man die Ganzwaschung in 2 oder gar 3 Teilwaschungen.
Man wäscht in der Frühe Brust, Unterleib und Arme, nachmittags den
Rücken und die Füße; oder man wäscht in den Morgenstunden
die Brust und den Unterleib, gegen Mittag den Rücken, nachmittags die
Arme und die Beine.
Eine vorsichtige, schnelle Waschung kann niemals schaden, selbst, wenn sie
mit dem frischesten Wasser, - was das Beste ist - vorgenommen wird.
Wann und wie oft bei Kranken die Ganzwaschung zu geschehen habe, ist bei den
einzelnen Krankheiten angegeben.
Ich bemerke hier nur noch, daß namentlich bei heftigem Fieber, dann
bei allen von heftigem Fieber begleiteten Krankheiten, besonders beim Typhus
und den Blattern die Ganzwaschungen
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eine Hauptrolle spielen und stets an die Stelle der kalten Ganzbäder
treten, wenn diese aus irgend einem Grunde nicht genommen werden können.
Beim Fieber zeigen die sich steigernde Hitze und die damit verbundene Bangigkeit
stets selber die Zeit der jedesmaligen Wiederholung der Waschung an, die unter
Umständen jede halbe Stunde geschehen kann.
Viele Krankheiten, wie Katarrh, Schleimfieber, Blattern, Typhus und andere,
habe ich durch die Ganzwaschungen allein geheilt.
Bei schwächlichen Naturen verwende ich zur Waschung statt des Wassers
sehr oft den Essig (mit Wasser verdünnt). Abgesehen davon, daß
er gründlicher die Haut reinigt, die Poren öffnet, kräftigt,
stählt er auch.
Gar oft bekommt man zu hören, daß Waschungen mit Wein, Spiritus
(den Essig nehme ich aus) usw. ganz außerordentliche Wirkung hervorbringen
sollen. Ich habe solche Waschungen recht oft probierend und forschend vorgenommen,
bin aber über das Niveau (Bereich) der ordentlichen, manchmal der recht
mittelmäßigen Wirkung nie hinausgekommen. Manchmal hat mich ein
Versuch ohne jeglichen Erfolg gelassen.
Vor Jahren galt der Franzbranntwein als unübertreffliches Waschungsmittel;
tausende von Flaschen wurden verkauft und gekauft. Die Sache ruhte dann einige
Jahre und erst seit den letzten Jahren macht dieser Geist wieder in der ganzen
Welt die Runde.
Derlei Mittel kamen und verschwanden zu verschiedenen Zeiten wie die Kometen.
Sie ziehen oft einen großen Schweif nach sich, dann aber verschwinden
sie für immer. Es sind nicht die regulären, die gewohnten Sterne,
die allnächtlich auftauchen und ruhig aber ohne Unterbrechung und ohne
Aufhören leuchten. Mit letzteren möchte ich das Wasser vergleichen.
Es wirkt, und seine Anwendungen werden bleiben, wenn derlei außerordentliche
Strömungen längst aufgehört haben zu fließen, zum Teil,
weil sie die Probe nicht bestanden.
Ich wünschte nur recht lebhaft, daß das Wasser sich allgemein Bahn
bräche, besonders in die Kreise hinein, die zu seiner nutz- und segensvollen
Verbreitung und Anwendung alles tun könnten.
2. Die Teilwaschung
betrifft nicht den ganzen Körper, sondern einen Teil desselben.
92
Dieselbe wird vorgenommen mit der Hand oder einem gröberen Handtuch und
frischem Wasser. Im weiteren gelten ganz die gleichen Regeln wie oben.
Ob der Finger oder die Zehe, der Fuß oder die Hand oder was immer entzündet
sei, -überall und stets lösche man, wo es und wann es brennt.
Etwaige nähere Bestimmungen, wann solche Teilwaschungen notwendig erscheinen,
stehen bei den einzelnen Krankheitsfällen selbst.
F. Wickelungen.
Unter den Wickelungen sei zuerst genannt
1. Der Kopfwickel.
Dieser Wickel kann auf 2fache Art genommen werden.
Der ganze Kopf, Gesicht und Haare, werden gewaschen, ganz naß gemacht.
Das Wasser soll durchdringen bis auf die Haut; doch dürfen die Haare
nicht vom Wasser triefen. Das wäre des Guten zu viel.
Darüber (über den ganzen Kopf) bindet man ein trockenes Tuch, in
der Art, daß es gut anliegend, luftdicht abschließt und nur die
halbe Stirne mit den Augen sichtbar läßt.
Nach 1/2 Stunde schon, selten erst nach 1 Stunde, sind die Haare trocken.
Es kann sodann die Waschung und der Umschlag 1, 2, ja 3 mal erneuert werden.
Man sehe nur darauf, daß das den nassen Kopf bedeckende Tuch beim Wickeln
recht trocken ist. Die zweite und dritte Anwendung werden je 1/2 Stunde währen;
man achte indessen genau darauf, daß vor jeder neuen Anwendung die Haare
stets vollständig getrocknet seien.
Am Schlusse der letzten Anwendung gewöhne man es sich an, Hals und Kopf
leicht, kurz und kalt abzuwaschen und wie beim Waschen in der Frühe abzutrocknen.
Besser noch geschieht die Anwendung auf folgende Art, besonders in Fällen,
in denen man starke Ausscheidungen erzielen will.
Man wäscht den Kopf, wie oben angegeben wurde. Das Wickeln geschieht
dieses Mal mit zwei Tüchern, mit dem luftabschließenden Tuche der
ersten Art der Anwendung, dann noch mit einem leichteren, ebenfalls gut anliegenden
und abschließenden Wolltuche.
Wäre die Hitze des Kopfes sehr groß, so könnte außer
93
den Haaren die unter dem Wolltuche liegende Umhüllung auch genäßt
werden.
Soll die ganze Anwendung längere Zeit dauern, so säume man nicht
mit dem Wechsel; er wird im höchsten Falle 25 bis 30 Minuten aufgeschoben
werden können.
Die Anwendung wird beschlossen wie oben.
Kopfleiden, hauptsächlich rheumatischer Art, die durch Verkühlung,
Erkältung, raschen Temperaturwechsel entstanden sind, zahlreiche Schuppen,
trockene Ausschläge, kleine Geschwüre auf dem Haarboden, werden
mit Erfolg durch den Kopfwickel behandelt.
2. Der Halswickel.
Die gelinde Form des Halswickels besteht darin, daß man mit der Hand
oder mit einem Handtuche den ganzen Hals naß macht und ihn mit einer
trockenen groben Linnenbinde in 3-4 Windungen (Umgängen)
sorgfältig, aber nicht zu fest umwindet. Es soll eben der Zutritt der
frischen Luft zu der benetzten Stelle verhindert werden.
Die zweite Art der Wickelung geschieht also, daß ein weiches Handtuch
in frisches Wasser getaucht und um den Hals gelegt wird. Das nasse deckt ein
trockenes Handtuch und beide eine Woll- oder Flanellbinde. Wer diese nicht
besitzt, kann jedweden trockenen Wollstoff verwenden und soll nur stets für
luftdichtes Abschließen besorgt sein.
Nach meiner ganzen bisherigen Erfahrung muß ich im Allgemeinen gegen
langwährende Anwendungen sprechen; sie bewirken sehr oft das Gegenteil
von dem, was sie bezwecken: Verschlimmerung statt Besserung. Das ist denn
sehr oft mit ein Hauptgrund, daß die Anwendungen überhaupt den
Kredit, das Vertrauen einbüßen. Ein derart abgeschreckter, weil
getäuschter Kranker bleibt stets schwer zu bekehren, alle Überredungs-
und Überzeugungkünste scheitern.
Diese allgemeine Bemerkung möchte ich jetzt insbesondere auf die Wickelungen
beziehen, den Halswickel nicht ausgenommen.
Sämtliche Wickel wollen und sollen vorzüglich dahin wirken, übermäßiges,
ungeordnetes Strömen des Blutes nach irgend
einer Stelle hin zu verhindern, das Blut abzulenken, wegzuziehen von dieser
Stelle, sodann sehr große Hitze aus- und abzuleiten.
Wenn ich den Wickel nun allzu lange, z. B. eine ganze Nacht
94
an der kranken Stelle belasse, so wird diese Stelle warm und immer wärmer,
es strömt mehr Blut zu, sie wird zuletzt oft fürchterlich heiß,
und die Entzündung, das Übel, muß verschlimmert werden.
Die Folgerungen, welche sich hieraus für den Halswickel ergeben, liegen
auf der Hand.
Ich bin durchaus gegen vielstündige oder gar ganznächtige Anwendungen.
Eine vollständige Anwendung dauert bei mir 1, höchstens 1½
Stunden, und es soll nach jeder halben Stunde, unter Umständen nach je
20 Minuten, der nasse Umschlag erneuert, das ist von neuem eingetaucht und
nach obiger Weise umwunden werden. Dieses Neueintauchen kann also innerhalb
einer Anwendung 2-4 mal geschehen. Es ist nicht bei jedem Patienten gleich
und hängt ab von der geringeren oder größeren Hitze, welche
derselbe verspürt. Das Gefühl einer gewissen Unlust und Bangigkeit
darf als der beste Zeiger gelten, der die Zeit zum Wechseln angibt.
Bei Halsentzündungen, Schlingbeschwerden, bei manchen Kopfleiden ist
der Halswickel vorgeschrieben; zu gleicher Zeit wird man suchen, durch Anwendungen
auf andere Körperteile, z. B. die Füße (nasse Socken), oder
auf dem ganzen Körper ihm entgegenzuarbeiten.
3. Der Schal.
Der Schal ist eine spezielle Anwendung für die Brust und den oberen Teil
des Rückens. Jede Frau und jedes Mädchen kennt das unter diesem
Namen besonders auf dem Lande gebräuchliche Kleidungsstück. Es ist
ein viereckiges, größeres Wolltuch, welches, einmal und zwar im
Dreieck zusammengefaltet, so über die Schultern geworfen wird, daß
der größere Winkel auf den Rücken, die beiden kleinen spitzen
Winkel auf die Brustseite zu liegen kommen.
Fig. 17.
Fig. 18.
Der Schal als Wickel ist ausgebreitet ein grobes quadratförmiges Leinwandstück,
1 bis 1½ m lang und ebenso breit. Als gleichschenkeliges Dreieck zusammengelegt
und nach der oben angegebenen Art über die Schultern
95
gebreitet, kommt der größere, der rechte Winkel auf den Rücken
zu liegen und reicht bis unter das Kreuz, die beiden spitzen Winkel fallen
über die Brust herab und schließen gleich oben am Halse gut zusammen
und kreuzen sich auf der Brust. (s. Abbildung.)
Fig. 19.
Fig. 20.
Der Wickel wird in kaltes Wasser getaucht, ausgewunden, auf den bloßen
Körper gelegt und mit trockener Linnen- oder Wollhülle luftdicht
abgeschlossen.
Sehr bald fühlt man, wie eine angenehme Wärme sich entwickelt, wie
das nasse Tuch warm, ja allmählich heiß wird.
Die Anwendung des Schals kann ½-1½, in seltenen Fällen
bis 2 Stunden dauern; letzteres dann, wenn stärkere Ableitungen gewünscht
werden. Bei längerer Dauer darf man die Erneuerung, d. i. Neueintauchung
des Wickels nicht übersehen. Dieses geschieht nach ungefähr ½-¾
Stunden, in der Regel dann, wenn die Hitze stark, der Wickel warm, heiß
wird.
Bei Hitzen, Kongestionen und beginnenden Entzündungen an oder im Kopfe,
bei fieberhaften Katarrhen bei Verschleimungen im Hals, in der Luftröhre,
auf der Brust wirkt unser ganz unschuldiger Wickel auflösend und ableitend.
Die größten und auffallendsten Dienste hat er stets gemüts-
oder geisteskranken Personen des schwachen Geschlechtes erwiesen. In Verbindung
mit einer andern, ebenso leichten Anwendung reichte der Schal vollkommen aus,
den Blutandrang zum Kopfe aufzuheben, den überfüllten Kopf zu entbluten.
Diese zweite Anwendung bestand gewöhnlich in nassen Socken oder in Fußwickeln
oder in einem warmen Fußbade mit Asche und Salz.
4. Der Fußwickel.
Dieser Wickel ist stets eine wichtige Nebenanwendung, d. h. ein Hilfsmittel,
welches anderen Anwendungen helfend entgegenarbeitet. Wir unterscheiden einen
doppelten Fußwickel, nämlich:
a) Den eigentlichen Fußwickel.
Landleute, welche mehr beschränkt sind in Zeit und Mitteln, nehmen diesen
Wickel am einfachsten, indem sie ein paar nasse
96
Socken und darüber trockene Wollstrümpfe anziehen und sich dann
während der Anwendungszeit ins Bett legen unter eine gute Zudecke.
Wem dieses nicht behagt, der tauche grobe leinene Lappen oder eine Linnenbinde
in halb Wasser, halb Essig, umwinde damit die Füße bis über
die Knöchel, bringe den trockenen Umschlag, am besten eine Woll- oder
Flanellbinde, darüber und decke sich im Bette ordentlich zu.
Die Anwendung dauert 1-1½-2 Stunden und schreibt stets das Bett vor.
Entwickelt sich starke Hitze, und handelt es sich bei der betreffenden Anwendung
gerade um deren Ableitung wie z. B. bei der Lungen-, der Brustfellentzündung,
bei Entzündung im Unterleibe, so soll der Wickel wiederholt, bei jeder
größern Hitze neu eingetaucht werden.
In allen Fällen, in denen es sich darum handelt, krankhafte Säfte
aus den Füßen auszuziehen, bei Entzündungen die Hitze zu nehmen,
das Blut vom oberen Körper nach unten zu ziehen, leistet dieser Fußwickel
treffliche Dienste.
Man verwechsle ihn nicht mit dem Fußbade und seinen Wirkungen! Wie die
Dauer des Fußbades eine bedeutend kürzere, so ist seine Wirkung
eine beschränktere. Wohl leitet auch es die Wärme, das Blut in die
Füße; aber eine Reinigung, eine Ausleitung verdorbener Säfte
aus den Füßen vermag kein kaltes und kein warmes Fußbad zustande
zu bringen.
Eine Anwendung dieses Wickels darf ich nicht vergessen.
Wer die Wasserübungen am Abend ertragen kann, der ziehe nasse Socken
an beim Schlafengehen, darüber natürlich stets trockene. So verliert
er absolut keine Zeit; er wird prächtig schlafen und braucht auf keine
bestimmte Zeitdauer acht zu haben. Nur das eine merke er sich, daß er
beim Aufwachen in der Nacht oder in der Morgenfrühe die nassen Socken
ungesäumt weggibt.
Landleuten, die abends recht müde sind, zieht dieser Sockenwickel alle
Müdigkeit aus den Füßen, noch gründlicher als das kalte
Fußbad.
Wer an kalten Füßen leidet, probiere einmal diese Nachtwickel.
Auch Fußschweißlern habe ich dieselben oft mit Erfolg angeraten,
jedoch erst nachdem mehrere Fußdämpfe vorangegangen waren.
97
b) Den Wickel über die Knie.
Kräftiger als der eigentliche Fußwickel in der unter a) beschriebenen
Weise wirkt ein Wickel bis über die Knie.
Die nasse Linnenbinde, welche beim Fußwickel bis über die Fußknöchel
reicht, wird fortgesetzt, fortentwickelt bis über die Knie und gut mit
trockener, am besten wollener Umhüllung versehen.
Die Dauer dieses Wickels, auch das andere Verhalten ist dasselbe wie beim
Fußwickel a.
Zur Ausleitung von Hitze im Oberkörper, zur Hebung großer Müdigkeit,
speziell zur Lösung quälender Winde, versessener Gase empfehle ich
den Wickel angelegentlich.
Man verwechsle ihn nicht mit dem bei den Halbbädern genannten ins
Wasserstehen bis über die Knie. Diese Anwendung ist rein stärkender,
nie ableitender Natur.
5. Der Unterwickel
führt seinen Namen aus dem Grunde, weil er hauptsächlich gegen Gebrechen
des Unterleibes und der Füße gerichtet und deshalb der speziell
dem Unterleibe zugedachte Wickel ist. Er beginnt unter den Armen und reicht
bis über die Fußspitzen. Der oberste Teil des Oberkörpers,
die Schultern mit den Armen, die frei bleiben, sind unberührt und müssen,
wenn der Behandelte zu Bette liegt, gut mit dem Hemde, besser noch mit wärmerer
Bekleidung bedeckt werden, daß von oben her nicht etwa Luft eindringe.
Der Unterwickel wird also bereitet und genommen: Auf das die Matratze oder
den Strohsack bedeckende Leintuch wird der Länge nach eine möglichst
breite Wolldecke ausgebreitet. Das zum Wickel bestimmte Linnen soll so groß
sein, daß es zum mindesten zweimal, in manchen Fällen 3-4 mal um
den Körper und
98
bis über die Fußspitzen hinaus reicht (2-3-4fache Fätschung).
Man nimmt es am besten doppelt gefaltet, taucht es in kaltes Wasser, windet
es aus, so daß es nicht mehr triefet, und legt es in Form eines Rechteckes
auf den bereit liegenden Wollteppich ins Bett. Auf der nassen Unterlage nun
nimmt man Platz, schlägt sie rechts und links ein, aber so, daß
Naß über Naß geht und keine Stelle des Unterleibes unbedeckt
bleibt. Darüber wird die unter dem nassen Linnen gebreitete Wolldecke
als schützende und luftabschließende Hülle zusammengezogen
und das Ganze mit dem Federbett sorgfältig zugedeckt. Die Füße
werden meistens noch eine Extrazudecke erfordern. (s. Abbildung.)
Fig. 21.
Die Sache ist nicht so verwickelt, wie es beim Lesen erscheinen könnte,
der ganze Hergang kann dadurch erleichtert werden, daß der Behandelte
außer Bett, vielleicht mit Badehosen bekleidet, den nassen Wickel vorschriftsmäßig
um sich hüllt und sich derart eingehüllt auf die ausgebreitete Wolldecke
legt. Jetzt kann ihm, damit alles rasch ohne Verzug geschieht, daß er
möglichst geringe Zeit der Luft ausgesetzt ist, leicht jemand behilflich
sein, das ist den nassen Wickel etwas glätten, zurecht legen, die Ränder
anschließend machen, besser übereinander legen, den Patienten endlich
sorglich zudecken.
Freilich ist die Sache stets etwas umständlich, doch wie mir scheinen
will, einfacher und leichter als ein Umwickeln mit eigens dazu bereiteten
Binden, welche ich bei größeren und den größten Wickeln
nie verwende.
Bei einiger Praxis ergibt sich ein Vorteil nach dem andern. Ich kenne viele,
die ohne Mühe und in kürzester Zeit (das ist eine Hauptsache) sämtliche
größeren Wickel sich selbst allein zu bereiten und umzulegen wissen.
Hier schon möge eine Bemerkung Platz finden, die manchen das beim Lesen
empfundene Schauern oder Kaltüberrieseln nehmen wird.
Wer die Furcht vor dem kalten Wasser nicht überwinden kann, wer wenig
Naturwärme, zartere Nerven usw. hat, tauche den Wickel ganz ruhig in
heißes Wasser ein.
Schwächlichen, gebrechlichen, blutarmen, namentlich älteren Leuten
mache ich diese Eintauchung nicht gerade zur strengen Vorschrift, gebe ihr
aber stets den Vorzug.
Die Anwendung des Unterwickels dauert 1, 1½, manchmal 2 Stunden. Das
anfängliche Kältegefühl wird bald einer angenehmen Wärme
weichen.
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Einfache, arme Land- und Bauersleute können diese ganze Geschichte viel
einfacher haben. Sie suchen sich einen alten, ziemlich abgenützten, deshalb
weniger steifen Getreidesack aus, tauchen denselben ins Wasser, winden ihn
ordentlich aus und schlüpfen dann bis unter die Arme in den Sack, gleich
als wenn sie die Hosen anziehen würden. In dieser altmodischen Tracht
legen sie sich auf die ausgebreitete Wolldecke ins Bett und wickeln sich in
diese und das Federbett tüchtig ein. Hunderte haben diese Art von Sackjucken
probiert. Schäme dich nicht, der Sack wird auch dir recht wohl bekommen!
Die Wirkung des Unterwickels, welcher stets mit anderen Anwendungen verbunden
wird, ist verschieden: wärmend, auflösend und ausleitend. Er übt
diese Wirkung, wie bereits gesagt wurde, vornehmlich aus auf den Unterleib.
Bei Fußgeschwülsten, rheumatischen und gichtischen Zuständen,
bei Nierenleiden, Blähungen, Krämpfen usw. wird er regelmäßig
zur Mithilfe beigezogen werden.
Anstatt des einfachen kalten oder warmen Wassers verwende ich sehr häufig
zum Eintauchen die Absude von Heublumen, saurem Heu, Haferstroh, Fichtenreisern.
Das saure Heu gilt als Ersatzmittel für Heublumen. Beide dienen bei Harnbeschwerden
und in untergeordneter Weise bei Gries- und Steinleiden.
Absud von Haferstroh hat sich jederzeit bewährt bei der Gicht, bei Gries-
und Steinleiden; Absud von Fichtenreisern bei schwächlichen Naturen zur
Ausleitung von Gasen und zur Beseitigung der verschiedensten krampfhaften
Zustände im Unterleib.
6. Der kurze Wickel
ist der am meisten genannte und gebrauchte. Er bildet für sich allein
eine abgeschlossene Anwendung, d. h. er wirkt, ohne daß andere Wasserübungen
beizuziehen sind, auf den ganzen Körper. Er steigert die Naturwärme
und zieht anderseits zu große Hitze aus, je nachdem seine Anwendung
längere oder kürzere Zeit dauert.
Dieser Wickel ist alles wert, hat einmal einer gesagt; was
der Sattelgaul am Fuhrwerke, das leistet er unter den Wickeln.
Zu seiner Beliebtheit und allgemeinen Verbreitung hat sehr viel der Umstand
beigetragen, daß ihn ein jeder selbst leicht und bequem nehmen und umlegen
kann. Der kurze Wickel beginnt wie der Unterwickel seine Wickelungen unter
den
100
Armen und beendet sie oberhalb der Knie. Ein grobes Linnentuch wird 4-6fach
in solcher Breite zusammengefaltet, daß es den Körper in besagter
Weise umhüllt, sodann naß gemacht, ausgewunden und gut anschließend
umgelegt. Eine Wolldecke schließt luftdicht ab, und das Federbett gibt
die notwendige Wärme. (s. Abbildung.)
Fig. 22.
Schwächliche und ältere Personen, mit einem Worte die Blutarmen,
deren Blutwärme nicht viel über dem Gefrierpunkte steht, dürfen,
ja sollen auch diesen Wickel warm nehmen.
Arme und einfache Leute auf dem Lande können statt des 4-6fach gefalteten
Linnentuches wieder einen abgenützten, weicheren Getreidesack netzen
und denselben der Breite nach umlegen.
Die ganze Anwendung dauert je nach Vorschrift 1, 1½, zuweilen 2 Stunden.
Würden gesunde Leute alle 8, auch nur alle 14 Tage einen kurzen Wickel
nehmen, so könnten sie einer großen Anzahl Krankheiten gründlich
vorbeugen. Auch er wirkt günstig und reinigend auf Niere und Leber und
auf den Unterleib, den er von versessenen Winden, quälenden Gasen, verlegenen
Stoffen, überflüssigem Wasser reinigt. Die Wassersucht, Herz- und
Magenleiden, die sehr häufig vom Druck der Gase nach oben herrühren
und aufhören, sobald diese entfernt werden, sind den Freunden des kurzen
Wickels unbekannte Gäste. Und ich kenne eine Zahl solcher treuen Freunde,
welche manche Nacht in seiner Umhüllung schlafen und bis zum Morgen überaus
gut und sanft ruhen.
Bei Verschleimungen des Magens, bei Herz- und Lungenübeln, bei den verschiedensten
Kopf- und Halsleiden findet der kurze Wickel die mannigfaltigste Verwendung.
Das Nähere besagt im dritten Teile eine Reihe von Krankheiten.
Wenn ich im unklaren bin über ein Übel, wenn ich den Sitz einer
Krankheit nicht genau erkenne, so ist stets der kurze Wickel der treueste
und beste Ratgeber. Auf nähere Ausführung kann ich mich nicht einlassen.
101
Patienten, deren Unterleib durch was immer geschwächt ist, rate ich unmittelbar
vor oder nach dem Wickel den Unterleib mit Schweinefett oder Kampferöl
einzureiben.
Bei Krämpfen lasse ich auch manchmal ein in Essig getauchtes einfaches
Tuch unter den Wickel auf den bloßen Leib legen.
7. Das nasse Hemd.
Diese Anwendung habe ich gewählt, weil sie auch von den einfachsten Menschen
mit geringer Fassungskraft nicht leicht mißverstanden werden kann.
Ein gewöhnliches Linnenhemd wird in Wasser getaucht, ordentlich ausgewunden
und wie üblich angezogen. Man legt sich ins Bett, auf eine ausgebreitete
Wolldecke, hüllt sich gut ein oder läßt sich gut einhüllen
und mit einem Federbett warm zudecken.
Ich kannte einen Herrn, welchem auch dieses Verfahren noch zu umständlich
war. Er stellte sich im Hemde in eine Badewanne und ließ über das
Hemd und seinen Körper eine Kanne mit Wasser gießen. Darauf ließ
er sich in eine Wolldecke hüllen und er konnte von dieser ersten
und besten aller Anwendungen nicht genug rühmen, wie sie guten
Schlaf bringe, den Humor froh, den Geist geweckt und den Körper frisch
mache.
In dem nassen Hemde bleibt man 1, 1½, längstens 2 Stunden. Bezüglich
seiner Wirkung habe ich die Erfahrung gemacht, daß es die Poren öffnet,
und wie ein gelindes Zugpflaster auszieht, daß es beruhigt, Kongestionen
und krampfhafte Zustände hebt, gleichmäßige Naturwärme
hervorbringt und das Allgemeinbefinden des Körpers hauptsächlich
wegen seiner ausgezeichneten Wirkung auf die Haut zu einem sehr guten macht.
Mit sehr gutem Erfolge habe ich es bei Gemütsleiden, bei Kindern, beim
Veitstanz und ähnlichen Erscheinungen, besonders auch bei Hautkrankheiten
angewendet. Sollten in letzteren Fällen starke Ausleitungen erzielt,
Ausschläge, wie Scharlach usw. hervorgelockt werden, so ließ ich
das Hemd in Salzwasser oder in mit Essig vermischtes Wasser tauchen.
8. Der spanische Mantel.
Diesen Namen habe ich nicht erfunden; ich habe auch keinen genügenden
Grund, den unter solcher Benennung bekannten und eingebürgerten Wickel
anders zu taufen, selbst auf die Gefahr hin, daß das fremdländische
Wort manchem schnüffelnden Leser
102
spanisch vorkommen sollte. Das ist und wäre mir alles eins. Auf die so
bezeichnete Sache kommt es allein an.
Der spanische Mantel, auch großer Wickel genannt, ist wie das Vollbad
und der kurze Wickel eine ganze, für sich allein genügende Anwendung,
welche auf den ganzen Organismus einwirkt. Das hindert nicht, daß sie
bei größeren und gefährlicheren Krankheiten stets nur im Wechsel
mit anderen Wasseranwendungen vorkommt.
Worin besteht dieser größte Wickel?
Aus grober Leinwand, dem beim Volke bekannten Reisten, wird eine
Art Linnenmantel gemacht. Derselbe gleicht einem weiten Hemde mit Ärmeln,
welches nach vorne zu ganz offen ist und bis über die Zehen hinunterreicht,
oder, wenn man will, einem weiten, langen Linnen-Schlafrock. (s. Abbildung.)
Fig. 23.
Dieser Mantel wird in kaltes oder bei schwächeren, blutarmen, älteren,
wasserscheuen Individuen in heißes Wasser getaucht, ausgewunden, wie
ein Hemd angezogen und vorne gut übereinander geschlagen. Das Bett werde
vorher so zubereitet, daß die Wolldecken zur Aufnahme des Bemantelten
bereit liegen. Am besten breitet man eine recht breite, große Wolldecke
aus, oder legt zwei kleine Decken der Breite nach über die Matratze oder
den Strohsack. Darauf legt sich der Patient und wird durch die Wolldecken
luftdicht abgeschlossen und mit einem Plumeau (Federbett) warm zugedeckt.
(s. Abbildung.)
Fig. 24.
Man sehe darauf, daß die nasse Einkleidung und die
103
Verpackung in die Wolle möglichst rasch vor sich gehe, daß das
der frischen Luft Ausgesetztsein ein Minimum, eine möglichst kleine Zeit
ausmacht.
Es kam einst ein Patient zu mir, der an allen möglichen Gebrechen litt.
Kongestionen, Blähungen, Hämorrhoiden plagten ihn, und eine Herzverfettung
brachte große Beängstigungen. Er gewöhnte sich daran, in der
Woche 1-2 mal den spanischen Mantel umzulegen, und nach längerem Gebrauche
waren all die genannten Übel mit noch anderen wie weggeblasen. Seitdem
benützt der Geheilte bis zum heutigen Tag den spanischen Mantel als Universalmittel,
und da er nicht viel Zeit zu versäumen hat, zieht er denselben an beim
Schlafengehen und legt ihn erst ab beim Aufwachen in der Nacht oder in der
Morgenfrühe. Der Herr ließ sich aus starkem Wollstoff einen zweiten
spanischen Mantel machen, der ihm statt der Wolldecken trefflich dient und
jede Mithilfe bei Anwendung dieses Wickels erspart.
Die Zeitdauer einer Anwendung beträgt 1, 1½, längstens 2
Stunden. Dieselbe richtet und bemißt sich nach der Kraft des Individuums,
insbesondere nach der Korpulenz. Für einen schwächlichen Bauersmann
werden 1, 1½ Stunden genügen; einem Herrn Bräumeister kann
man ohne Zögern 2 Stunden verordnen.
Wer wissen will, wie und wie stark der spanische Mantel wirke, der untersuche
das Wasser, in welchem der Wickel nach der Anwendung stets sorgfältig
ausgewaschen werden soll. Er wird finden, daß es ganz trüb ist;
ja er wird staunen und es kaum glaublich finden, daß ein spanischer
Mantel solchen Unrat auszuziehen imstande ist.
Ich erinnere mich an Fälle, in denen der weiße Linnenwickel ganz
gelb wurde, welche Farbe keine Lauge, erst das Bleichen auf dem Grase wieder
vertreiben, aussaugen konnte.
In der gelindesten (nicht im mindesten schroffen) Form, aber gründlich
öffnet der spanische Mantel die Hautporen am ganzen Körper und zieht
allen Unrat, Schleim usw. aus. Ich brauche nicht zu sagen, wie wohltuend er
deshalb auf die normale Körpertemperatur, auf das Allgemeinbefinden wirken
muß.
Im besonderen wende ich diesen großen Wickel an bei ziemlich allgemeinen
(den ganzen Körper mehr oder weniger angreifenden) Katarrhen, bei Schleimfieber,
Podagra, Gliedersucht, Blattern, Typhus, zur Vorbeugung gegen Schlaganfälle
usw. Im Krankheitsteile (s. III. Teil) wird man ihm recht oft begegnen.
104
Wird der Mantel im Absude von Heublumen, Haferstroh, Fichtenreiser getaucht,
so wirkt er vortrefflich gegen jene Leiden (Gicht-, Stein-, Gries-Leiden usw.),
deren Heilung genannten Pflanzen eigentümlich ist.
G. Trinken des Wassers.
In diesem Stücke kann ich mich sehr kurz fassen. Ich warne vor zwei Extremen,
d. h. vor zwei das richtige Maß überschreitenden Ansichten. Es
sind einige Jahrzehnte her, da gab es förmliche Wassertrinkturniere.
Wer die meisten Maßerl zwang, der war der größte
Held. Ein tägliches Quantum von 4, 6, 8, 10 Maß zählte durchaus
nicht zu den Seltenheiten. Noch heutzutage spukt in manchem Kopfe der Gedanke,
viel Wassertrinken müsse gesund machen. Besser noch diese Grille als
die andere, welche dem glühenden Hirn vorsingt, 3, 4, 5 Maßerl
braunes Gerstenwasser sei nicht zuviel Flüssiges für die Menge des
täglich eingenommenen Festen.
Den Leuten der zweiten Gattung scheint das Gegenteil von dem Gesagten das
Richtige sein, sie trinken wochen-, ja monatelang gar kein Wasser, denn das
Wassertrinken ist nicht vom Guten; sie scheuen auch das Bier; noch weniger
kosten sie den Wein; denn solcher Geist ist vollends Gift.
Wie doch die Menschen zu Zeiten allen gesunden Sinn verlieren, sich förmlich
jedes vernünftige Urteil unterbinden, jedem instinktiven Trieb und Gefühl,
dem die Tiere blind Folge leisten, um es gemein zu sagen, von vornherein den
Hals abschneiden. Ist dieses vernünftig?
Einige Minuten, bevor die Uhr schlägt, kündigt sichs an. Hat
denn der große Werkmeister, unser Schöpfer, etwas Halbes, ein Pfuschwerk
gemacht? Oder haben die Menschen in seine wunderbare Ordnung die Unordnung
gebracht? So ist es. Der unendlich weise Schöpfergott läßt
den Hunger ein Zeichen geben, wann gegessen, den Durst anklopfen, wann getrunken
werden soll. Der Menschenkörper, diese lebendige Uhr vom besten Gang
und Schlag, liefe und schlüge vortrefflich, wenn nicht der Menschentor
Schmutz und Sand und anderen Unrat zwischen die Räder werfen und so den
geordneten Lauf stören, vielleicht zerstören würde.
So oft die zahmen und wilden Tiere Hunger verspüren, suchen sie Nahrung;
so oft der Durst sich einstellt, eilen sie zum frischen Quell. Nach erfolgter
Sättigung hören sie sofort auf, ein Weiteres zu sich zu nehmen.
105
Gerade so handelt der unverdorbene Mensch bei geregelter Lebensweise, gleichviel,
ob er gesund sei oder krank.
Demnach lautet unser einziger und oberster, hierher gehöriger Grundsatz,
ein goldener Grundsatz, den ein jeder
befolgen sollte:
Trinke, so oft es dich dürstet, und trinke nie viel!
Ich kenne Personen, welche die ganze Woche hindurch vielleicht keinen
Tropfen Wasser trinken, andere, die sich beim Frühstück mit dem
herkömmlichen Glase für den ganzen Tag begnügen. Sie fühlen
niemals
Durst und dieses erklärt sich also, daß bei unserer Zubereitung
von
Speisen in letzteren dem Körper täglich eine Menge Wasser zugeführt
wird. Wenn wir von großen Erhitzungen des Sommers oder von den in der
Regel eine Krankheit anmeldenden Hitzen im Körper absehen, so ist der
eigentliche Durst vielen Menschen ein seltener Gast, und es bleibt mir
wenigstens stets ein Rätsel, wie gleichwohl so viele Menschen ohne
jedes Bedürfnis im armen Magen förmliche Überschwemmungen anrichten.
So
etwas kann ja nicht ungerächt bleiben.[15]
106
Trinke, so oft es dich dürstet, und trinke nie viel!
Die Landleute lieben den Platzregen gar nicht; sie behaupten, daß er
unfruchtbar sei und mehr zerstöre als nütze. Dagegen versichern
sie, daß jene starken Morgennebel, welche den Bauern den Hut netzen,
daß er triefet, ihre lieben Freunde seien, weil sie die beste
Fruchtbarkeit bringen und befördern.
Der Körper, speziell der Magen, bedarf Flüssiges, um seinen Magensaft
zuweilen zu verdünnen, zu mehren und so über all die festen Insassen
Meister zu werden. Er meldet sich jedesmal, wenn die Not an ihn herantritt,
bald durch leises Anklopfen im geringen Verlangen nach Wasser, bald durch
lautes Pochen und Schreien im heftigen Durste. Da soll man stets auf ihn hören,
mag nun das Rufen von einem gesunden oder kranken Magen ausgehen, aber ihm
nie mehr geben, als ihm selbst gut ist, kleine Mengen in gehörigen Zwischenräumen;
in Erkrankungsfällen zumal, wie in der Fieberglut, eher öfter, z.
B. alle 5-10 Minuten ein Eßlöffel, als auf einmal ein Glas. Letzteres
würde den Durst nicht stillen und zum bestehenden Übel eine neue
Beschwerde hinzufügen.
Ein Beispiel meines Vorgehens möge diesen Abschnitt schließen.
Es leidet jemand an hartem Stuhlgange, große Hitze quält den Unterleib,
heftiger Durst den armen Kranken; er könnte, wie er sagt, 2, 3, 4 Glas
Wasser, Glas auf Glas trinken; es ist ihm, als ob es in einen Glühofen
geschüttet werde. Ich glaube
107
das; die Wassermasse kommt in den Magen und macht dann, ohne die leidende
Stelle irgend zu berühren und günstig zu beeinflussen, eine rasche
Wanderung durch den Leib, bis sie vollinhaltlich, ja noch eine ordentliche
Menge des unentbehrlichen Magensaftes mit sich schwemmend, ausgeschieden wird.
Man gebe dem Kranken statt der vielen Gläser mit Wasser während
eines Tages jede halbe Stunde einen Eßlöffel voll. Man wird ganz
andere Wirkung verspüren, eine Wirkung, welche das notwendige Ergebnis
einer vernünftigen Behandlung sein muß.
Die kleine Menge Wasser wird schnell vom Magensafte erfaßt und leicht
mit demselben vermischt. Die eine jede halbe Stunde erfolgende
Nachspeisung gibt reichlichere Säfte, die kühlend und in normalem
Laufe
den Körper, die Eingeweide durchströmen und erweichend und lösend
binnen kurzer Zeit allen Stockungen und Verhärtungen ein Ende machen.
Unzählige haben in dieser Beziehung meinen Rat befolgt und schnell ward
ihnen geholfen. Probatum est!
In der allerneuesten Zeit wurde viel gesprochen und geschrieben von den Wirkungen
des Trinkens von heißem Wasser (30 bis 35°C. wie bei Kaffee und
Tee), besonders bei chronischen Krankheiten. Ich selbst habe vor Jahren bei
manchem Patienten gute Erfolge erzielt. Ehre, wem Ehre gebührt! Wer dem
warmen Wasser vor dem kalten, frischen Elemente den Vorzug gibt, wer wollte
ihn tadeln oder gar verurteilen! Das ist Geschmacksache. Ich habe indessen
durch Erfahrung gefunden, daß kaltes, lebendiges (nicht getötetes)
Wasser dieselben, wenn nicht bessere Dienste tut. Ich für meine Person
ziehe es jedem lauwarmen oder heißen Wasser vor. Jeder wähle, wozu
ihn das Verlangen treibt!
109
Zweiter Teil
Apotheke
Benedicite universa germinantia in terra Domino!
Jedes Kräutchen der Erde preise den Herrn!
111
Allgemeines und Einteilung.
Zu den Dingen, welche ich verabscheue und hasse, zählt als ein gründlich
und grundsätzlich gehaßtes das Geheimmittel-Wesen, die Krämerei
mit Heilmitteln, welche als Geheimnis des Erfinders gelten.
Diesen Vorwurf soll mir niemand machen können. Darum öffne ich in
diesem zweiten Teil die Läden meiner Apotheke und lasse einen jeden hineinschauen
und hineinschmecken bis ins letzte Teeschächtelchen und ins kleinste
Ölfläschchen.[16]
In jeder Apotheke steckt ein teures Geld; in der meinigen ist nicht viel Rares.
Ich gestehe dieses sehr gerne zu und betrachte diesen leicht möglichen
Vorwurf als einen großen Vorzug meiner Apotheke.
Fast sämtliche meiner Tees und Extrakte, Öle, Pulver rühren
von früher geachteten jetzt vielleicht verachteten spottbilligen Heilkräutern
her, welche der liebe Herrgott im eigenen Garten, auf freiem Felde, manche
ums Haus herum an abgelegenen und unbesuchten Stellen wachsen läßt,
Heilkräutern, die meistens keinen Pfennig kosten.
Mein Büchlein ist ja in erster Linie für arme Kranke geschrieben,
für welche ich auch, den Himmelslohn im Sinne habend, dieses opfervolle
Handwerk treibe oder, wenn man will, andern ins Handwerk pfusche.
Für sie suchte ich mit Absicht all die gleichfalls armen alten Bekannten
auf, vieles andere beiseite lassend. Lange Jahre hindurch habe ich sondiert
und geprüft, getrocknet und zerschnitten, gesotten und gekostet. Kein
Kräutchen,
112
kein Pulver, das ich nicht selbst versucht und als bewährt befunden habe!
Ich wünsche nur das eine, daß die alten Bekannten zu neuen Ehren
gelangen, bei einer Klasse von Menschen wenigstens.
Ich habe mich lange besonnen, ehe ich mich entschloß, den für sich
allein ausreichenden und genügenden Wassermitteln diese Apotheke, d.
i. dieses Verzeichnis der dem Wasser von innen heilsam entgegenwirkenden Hilfsmittel,
anzufügen. Es könnte wie eine Mißtrauens-Kundgebung gegen
die Wasserheilkraft aussehen.
Doch es gibt Kranke, welche aus unüberwindlicher Wasserangst sich schwer
zu einer oft notwendigen längeren Wasserkur entschließen können.
Diesen wollte ich es erleichtern, mit anderen Worten: die Wasseranwendungen
reduzieren, vereinfachen und die Zeit des Gebrauches abkürzen. Solches
aber kann und wird geschehen, wenn ich der äußeren Kur (mit Wasser)
durch eine innere Kur (die Heilmittel) in die Hand arbeite.
Wer sämtliche Artikel dieser Apotheke überblickt, sieht sofort,
daß sie wie die gesamten Wasseranwendungen selbst dreifachen Zweck haben:
ungesunde, kranke Stoffe im Innern aufzulösen, auszuleiten, sodann den
Organismus zu kräftigen. Insofern glaube ich mit vollem Rechte behaupten
zu können, daß beide Verfahren, das innere und das äußere,
zusammenstimmen und einheitlich zusammenwirken. Ich warne vor einer Täuschung.
Wer glaubt, er müsse die Wasserkur recht strenge und ernst anwenden,
irrt.
Wer meint, er müsse nach innen recht häufig und viel anwenden, irrt
ebenfalls. Immer und in allen Fällen gilt der goldene Grundsatz: die
gelindeste, ob äußere oder innere Anwendung ist die beste.[17]
Pflanzen mit zweifelhafter Wirkung, wie Eibisch, Süßholz usw.;
mit den geringsten ungünstigen Wirkungen, z. B.
113
auf den Magen, wie Senesblätter, Hopfen usw.; Giftpflanzen vollends habe
ich grundsätzlich übergangen.[18]
Wie gut Gott ist! so drängt sichs mir aus dem Herzen! Nicht bloß
was zur Erhaltung des Lebens, zu des Leibes täglichem Brot notwendig
ist, läßt er uns wachsen; er, der in unendlicher Weisheit alles
nach Maß, Zahl und Gewicht geschaffen, läßt in väterlicher
Liebe zahllos auch diejenigen Kräutchen aus der Erde hervorschießen,
welche den Menschen in kranken Tagen Trost, seinem in Schmerzen sich windenden
Körper Linderung und Heilung verschaffen.
Wie gut Gott ist! Daß wir Einsicht haben! Den Pflänzchen, welche
durch die ihnen vom Schöpfer angehängten Riechfläschchen, den
würzigen Heilduft, sich selbst uns ankündigen und freundlich und
zuvorkommend stellen, wollen wir fleißig nachgehen und beim Pflücken
eines jeden mit kindlichem Danke unsern unendlich liebevollen Vater preisen,
der im Himmel ist!
Unsere Hausapotheke soll 4 Hauptabteilungen oder Hauptfächer und einige
kleinere Nebenfächer enthalten.
In die Hauptfächer stellen wir:
in das erste die Tinkturen,
in das zweite, größte, die Teesorten,
in das dritte die Pulver,
in das vierte die Öle.
In die Nebenfächer kommt wieder gut geordnet alles andere, was nicht
unter obige vier Abteilungen fällt. Auch die Leinwandabfälle zum
Überbinden und Überlegen (stets rein und frisch), die Baumwolle
usw. können eines der Nebenfächer einnehmen.
Die Tinkturen und die Öle müssen in Gläsern aufbewahrt werden,
die verschiedenen Tee und Pulver entweder in festen Papiertüten oder
besser in Schachteln. (Wer neue machen läßt, soll sie länglich
rund und gleichmäßig, wenn auch in verschiedenen Größen,
machen lassen, daß sie dastehen wie Soldaten
112
in Reih und Glied. Das macht einem jeden Freude und gibt der Hausapotheke
ein Ansehen - und das gehört ihr auch.) Alles an einem kühlen, jedoch
nicht feuchten (daß sich nicht Schimmel ansetze) und nicht allzu abgelegenen
Orte im Hause!
Auf einem jeden Glase oder Fläschchen, auf jeder Schachtel oder Dute
soll genau und für jedermann gut leserlich die Aufschrift des Inhaltes
stehen. Am besten werden sodann die verschiedenen Heilmittel in jeder Abteilung
alphabetisch, d. i. nach dem ABC geordnet. Was mit A anfängt (z. B. Alaun),
marschiert am Anfang auf, was mit Z beginnt (z. B. Zinnkraut), bildet den
Schluß der Reihe.
Vor allem soll in der Hausapotheke große Ordnung sein. Jeder Fremde,
welcher dieselbe bisher nie gesehen, muß im Augenblick jedes Fläschchen,
jeden Tee usw. finden. Dann muß große Reinlichkeit herrschen.
Auf keiner Schachtel darf, ich will nicht sagen liniendicker, es darf gar
kein Stäubchen liegen; an keiner Flasche, selbst nicht an einer Ölflasche
dürfen Schmutz- oder Ölflecke wie nachlässig gekämmte
Haare herunterhängen. Nichts entehrt ein Haus mehr als Unreinlichkeit;
merke wohl: nach zwei Dingen hauptsächlich beurteilt man - und zwar mit
vollem Rechte und meistens sehr wahr - das ganze Haus. Sind diese in Ordnung,
so ist, schließt man, alles in Ordnung. Sind sie unordentlich, so heißts:
in diesem Hause, in dieser Wohnung müssen die Einwohner recht unordentliche
Leute sein. Willst du die beiden Dinge wissen? Sie heißen:
Hausapotheke und Abort.
Am besten wird es mit der Ordnung der Hausapotheke bestellt sein, wenn die
Hausmutter oder ein fleißiger Sohn oder die reinlichste und ordnungsliebendste
Tochter die Sorge und Verantwortung übernimmt. Sie wird die pünktlichste,
gewissenhafteste Reinlichkeitspflege als Ehrensache betrachten und den Staublumpen
stets in einer Ecke bereit liegen haben. Wenn sie ihr Amt gut verwaltet, das
ja fürs ganze Haus, für alle Glieder desselben von Segen ist, darf
sie mit Freuden an jenes Wort des göttlichen Heilandes denken: Was
ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.
Was so eine kleine Hausapotheke annähernd enthalten soll, habe ich am
Ende dieses zweiten Teiles angegeben.[20] Ich rate ab von allem nicht Notwendigen.
Man kann gelegentlich das eine oder andere Mittel beifügen.
Hier soll nur noch ein Wort stehen über die Bereitung der Tinkturen,
des Tees, der Pulver.
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Tinkturen oder Extrakt.
Die inneren Kräfte, die Heilsäfte können aus einer Pflanze
in verschiedener Weise ausgezogen werden. Den besten, stärksten Auszug
erhalten wir im eigentlichen, sogenannten Extrakt:
Der Extrakt wird folgendermaßen bereitet:
Man sucht unter den Kräutern, Beeren usw., aus denen man den Extrakt
gewinnen will, die besten aus: die reifsten, die untadelhaften; diese trocknet
man auf einem Brett an der frischen Luft, stets (das merke man sich gut) jedoch
im Schatten, niemals an der Sonne. Beim Trocknen wird sich noch manches zeigen,
was als untauglich verworfen werden muß.
Nachdem die Kräuter, Beeren usw. gut getrocknet sind, zerkleinere, zerschneide
man sie, wenn notwendig, und bringe sie in eine verschließbare Flasche
(Weinflasche). Diese nun wird mit echtem Kornbranntwein - den ich allem andern
vorziehe - oder in dessen Ermangelung mit reinem Spiritus oder Fruchtbranntwein
aufgefüllt und luftdicht verschlossen für einige Zeit an einen mäßig
warmen Ort gestellt.[21] Ich habe derart gefüllte Flaschen schon ein
Jahr lang und noch länger ruhig stehen lassen und dann erst den mit dem
ausgezogenen Saft des betreffenden Heilmittels durchtränkten Spiritus
als Extrakt abgegossen. Im Not- und Bedarfsfalle kann man denselben schon
nach wenigen Tagen des Ansatzes in Gebrauch nehmen.
Die Tinkturen nimmt man tropfenweise; in gewissen Fällen, (es ist dieses
jedesmal ausdrücklich angegeben) wird auf den Kaffeelöffel (kleineres
Maß) und auf den Eßlöffel (größeres Maß)
hingewiesen.
Tee.
Bei trockener Witterung, vielleicht wenn du vom Felde heimkehrst, oder wenn
du hinausgehst, den Stand der Saaten zu betrachten, mache einen Abstecher
und sammle da diese, dort jene Heilkräuter. Was auf trockenem Grunde
wächst, gar an sonnigen Berghalden verdient den Vorzug, und welche Pflanzen
du in der schönsten Blütezeit sammelst, diese werden dir die herrlichste
und in Leiden die gesegnetste Frucht bringen. Manches der Kräuter und
Kräutchen wächst in deinem Gras- oder Gemüsegarten, am Haus
oder an der Scheune. Du brauchst nur dem zehnjährigen Knaben oder deinem
kleinen Mädchen es vorzumachen,
116
wie sie es anstellen sollen, und du verlierst beim Sammeln der Kräuter
keinen Augenblick und bereitest deinen Kindern eine Freude. Die Garten- und
Feldkräuter sollen jedes Jahr erneuert d. h. neugesammelt, die alten
weggegeben werden.
Jede Hausmutter versteht es, jedweden Tee zu bereiten. Von den getrockneten
Kräutern (über das Trocknen lies das auf der vorhergehenden Seite
Gesagte) nimmt sie zu einer Tasse, soviel sie mit drei Fingern fassen kann,
gießt in das Pfännchen über die Teeblätter oder Blüten
sprudelndes Wasser und läßt es einige Minuten aufkochen, dann schüttet
sie den fertigen Tee ab.
In dieser Weise bereiteter Tee hat den feinsten Geschmack mit dem besten,
jeder Pflanze eigentümlichen Aroma, aber es ist nicht der kräftigste
Tee.
Bei mir werden die Kräuter durch längere Zeit förmlich abgekocht,
gründlich ausgesotten, daß auch nicht ein Teilchen der Heilkraft
verloren geht, vielmehr alle im Wasser gefangen wird.
Die Art des Einnehmens, ob tassen-, ob löffelweise, ist bei jeder einzelnen
Krankheit genau angegeben.
Pulver.
Das Pulver wird gewonnen, indem die trockenen Wurzeln, Blätter, Körner
oder Beeren der Heilpflanzen zerrieben oder im Mörser zerstoßen
werden.
Manchen Kranken ist damit leichter beizukommen als mit Tee. Man streut ihnen
das vorgeschriebene Pulver wie Gewürz (Pfeffer, Zimmt usw.) an eine Speise
oder mischt es an einen Trank, daß sie desselben gar nicht gewahr werden.
Die Gefäße, welche zur Aufbewahrung der verschiedensten Pulver
dienen, seien des Staubes wegen recht sorgfältig verschlossen.
Öle.
Die Bereitung der Öle, soweit dieselben nicht in der Apotheke gekauft
werden, ist bei jeder Krankheit, in der ein solches zur Verwendung kommt,
jedesmal besonders angegeben.
An der Reinhaltung der Ölfläschchen insbesondere wird man den Sinn
für Ordnungsliebe, Reinlichkeit usw. erkennen.
117
Heilmittel.
In alphabetischer Aufzählung sind die von mir verwendeten Heilmittel[22]
folgende:
Alaun
Aloe
Angelika oder Engelwurz
Anis
Gänsefingerkraut
Arnika
Zwerghollunder
Augentrost
Ausscheidungsöl
Baldrian
Sumpfklee
Brennessel
Dornschlehblüte
Eibisch
Eichenrinde
Enzian
Erdbeere
Fenchel
Bockshornklee
Hafer
Hagebutten
Weihrauchkörner
Heidelbeere
Hollunder
Honig
Huflattich
Johanniskraut
Kamille
Kampfer
Kleie
Knochenmehl
Kohlenstaub
Lebertran
Leinsamen
Lindenblüten
Malve
Mandelöl
Minze
Pfefferminze
Wasserminze
Mistel
Nelkenöl
Gartenraute
Weinraute
Rosmarin
Salatöl
Salbei
Santala
Sauerkraut
Schlüsselblume
Lavendelöl
Spitzwegerich
Tausendguldenkraut
Veilchen
Wacholderbeere
Wegwart
Wermut
Wühlhuber I
Wühlhuber II
Wollkraut
Zinnkraut
157
Anhang
Rezept zur Bereitung des Kleienbrotes 157
Etwas über die "Kraftsuppe" 158
Bereitung des Honigweins 159
Inhalt einer kleinen Hausapotheke 160
161
Dritter Teil.
Krankheiten.
163
Einleitung
164
Alphabetisches Verzeichnis der Krankheiten
Asthma
Atmungsbeschwerden
Augen
Ausschläge
Auszehrung
Beinfraß
Bettnässen
Blasenkatarrh
Blasenleiden
Blasenstein
Blattern (Pocken)
Blutarmut (Anämie)
Blutbrechen, Blutsturz
Blutfluß
Blutvergiftung
Blutzersetzung
Bruchleiden
Cholera
Cholerine
Congestionen
Darmentzündung
Darmleiden
Darmkatarrh (Durchfall)
Diphtherie
Lungenemphysem
Entkräftung
Entzündung
Lungenentzündung
Epilepsie
Fieber
Flechten
Fußgeschwüre
Fußleiden
Geburten
Gehirnentzündung
Gehirnleiden
Geisteskrankheit
Gelbsucht
Gelenkrheuma
Gemütsleiden
Geschwüre
Knochengeschwüre
Gesichtsrose
Gicht
Gichtleiden
Griesleiden
Steinleiden
Hämorrhoiden
Halsbräune
Halsleiden
Harnbeschwerden
Heiserkeit
Herzleiden
Hexenschuß
Ischias (Hüftnervenentzündung)
Hypochondrie
Impfschaden
Katarrh
Kniegeschwulst
Kolik
Kopfflechten
Kopfleiden
Krämpfe
Krätze
Krebs
Leibschaden
Lungenleiden
Magengeschwür
Magenkrampf
Magenleiden
Magensäure
Migräne
Nervenerschöpfung
Nervenleiden
Nervenüberreizung
nervöses Kopfleiden
Nervenzerrüttung
Nierenleiden
Ohrenkrankheit
Ohrensausen
Rheuma
Rotlauf
Rückgrat
Ruhr
Säuferwahnsinn
Scharlachfieber
Schlaflosigkeit
Schlaganfall
Schleimfieber
Schweiß
Körperschweiß
viel schwitzen
leicht schwitzen
Schwermut
Schwindel
Schwindsucht
Steinleiden
Stimme Verlust
Typhus
Unterleibsverschleimung
Verbrennungen
Veitstanz
Vergiftungen des Blutes
Verstopfung
Wassersucht (Ödeme)
Wirbelleiden
Würmer