Richard Sietmann c't 14/2000, S. 218: Elektrosmog
    Störfunk fürs Gehirn
    Mythos und Realität von Gesundheitsschäden durch elektronische 
      Geräte
    Kaum ein Thema ist so geeignet, die Öffentlichkeit zu polarisieren, 
    wie die Diskussion, die unter dem Stichwort 'Elektrosmog' geführt wird. 
    Die Schlagzeilen lauten je nach Bedarf 'Hitzkopf am Handy' oder 'Restrisiko 
    einer Pudelmütze'. Wann immer es um die elektromagnetische 
    Umweltverträglichkeit (EMVU) geht, bewegt sich die Diskussion zwischen 
    Hysterie und Bagatellisierung. 
    
    Das Thema Elektrosmog taucht in unregelmäßigen Abständen immer 
    wieder in den Medien auf. Einmal prunkt ein Bericht mit dem vermeintlichen 
    Beweis, die elektro
magnetischen Felder 
    moderner Hightech-Geräte seien gesundheitsschädlich; ein anderes 
    Mal wieder führt ein Artikel den angeblich unschlagbaren Nachweis, das 
    sei alles Quatsch und nichts so ungefährlich wie ein Handy.
    
    Grund zur Besorgnis gibt die lawinenartige Vermehrung von Strahlungsquellen 
    elektro
magnetischer Felder jedenfalls 
    vielen Mitmenschen: Mikrowellenherde, Mobil- und Schnurlostelefone, Babyfone, 
    Einbruchsicherungen, Fernsehgeräte und Computer-Monitore gehören 
    zur Grundausstattung in den Haushalten; im öffentlichen Raum strahlen 
    Rundfunk- und Fernsehsender, Wireless Local Loops als Direktanbindung der 
    Telefonkunden über Funk, Funkfeuer für die Flugsicherung, Richtfunk- 
    und Radaranlagen.
    
    Selbst die Sonne - wichtigste natürliche Quelle - trägt zu dem bei, 
    was gemeinhin als 'Elektrosmog' bezeichnet wird: Sie wirft neben dem sichtbaren 
    Licht und den angrenzenden infraroten und ultravioletten Spektralanteilen 
    auch hochfrequente Strahlung im Bereich von 3 bis 300 GHz auf die Erde, dies 
    allerdings mit der sehr geringer Intensität von weniger als 10 Mikrowatt 
    pro Quadratmeter (µW/m
2). Die 'Grundkonzentration' der Emission 
    von Haushaltsgeräten bewegt sich vergleichsweise in der Größenordnung 
    von einigen Dutzend µW/m
2 und liegt damit nach heutigem Erkenntnisstand 
    im grünen Bereich.
    
    Dies gilt aber eigentlich nur für die Betrachtung eines einzelnen Geräts. 
    Stein des Anstoßes ist der flächendeckende Ausbau des Mobilfunks, 
    der zudem aus Wettbewerbsgründen in Mehrfachnetzen mit Sendeanlagen konkurrierender 
    Betreiber erfolgt. Deren Basisstationen überdecken insbesondere dicht 
    besiedelte Regionen feinmaschig mit Abständen bis hinunter zu hundert 
    Metern und funken in den Frequenzbereichen 905 bis 959 MHz (GSM-900, D-Netz) 
    und 1710 bis 1880 MHz (DCS-1800, E-Netz). Anders als die ebenfalls flächen-deckende 
    Versorgung der UKW- und Fernsehsender, deren Sendetürme im Abstand von 
    einigen zehn Kilometern Leistungen von bis zu 500 000 Watt im Frequenzbereich 
    86 bis 107 MHz (UKW) und 170 bis 600 MHz (VHF, UHF) abstrahlen und in der 
    unmittelbaren Umgebung zu einer starken Exposition der Bevölkerung mit 
    elektro
magnetischen Feldern führen 
    (die Feldstärke nimmt umgekehrt proportional mit der Entfernung ab), 
    stützt sich der Mobilfunk auf viele kleine Funkzellen mit schwachen Sendern. 
    Die Sendeleistung der Basisstationen liegt zwischen fünf und 40 Watt, 
    die der Handys bei zwei Watt (GSM-900) beziehungsweise 0,5 W (DCS-1800).
    
    
Das Spektrum von Geräten der Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik, 
    die unter Elektrosmog-Verdacht stehen, liegt im Frequenzbereich von 1 MHz 
    bis 10 GHz.
    
    Und die Mobilfunk-Industrie setzt zurzeit alles daran, auf Wachstumskurs zu 
    bleiben. Inzwischen wird auch die 2,45-GHz-Funkanbindung von Peripheriegeräten 
    an Computer im so genannten ISM-Band via Bluetooth als Alternative zum Kabelsalat 
    langsam realistisch. Glänzende Prognosen gibt es auch für die Wireless 
    Local Loops (WLL) und die Wireless Local Area Networks (WLAN), die sich sukzessive 
    die Frequenzbereiche um 5,2, 17, 19, 26, 48, 40 und 60 GHz erschließen, 
    um damit Daten mit Raten von 25, 155 und 622 MBit/s an stationäre und 
    mobile Endgeräte übertragen zu können.
    
Strahlungsdichte
    Aus einer in den USA durchgeführten Studie geht hervor, dass in größeren 
    Städten die durchschnittliche Hintergrundstrahlung etwa 50 µW/m
2 
    beträgt; aber rund ein Prozent der Bevölkerung lebt in Großstädten, 
    wo sie mit mehr als 10 000 µW/m
2 einer über 200-mal 
    stärkeren Leistungsflussdichte - also Strahlungsleistung pro durchsetzter 
    Flächeneinheit - ausgesetzt ist. Doch auch dieser Wert bleibt noch weit 
    jenseits bislang nachweisbarer Wirkungen auf den menschlichen Organismus.
    
    Nach der herrschenden Meinung sind für die hochfrequenten Felder nur 
    thermische Wirkungen auf den menschlichen Organismus wissenschaftlich einwandfrei 
    belegt. Die Kurz- und Mikrowellentherapie nutzt sie sogar zur Heilbehandlung 
    aus; dort lindert die Durchwärmung gezielt bestrahlter Körperstellen 
    rheumatische Leiden, Entzündungen und Abszesse.
    
    Um Humangewebe um ein Grad Celsius zu erwärmen - diese Temperaturerhöhung 
    gilt als gesundheitlich unbedenklich, weil sie im Bereich normaler physiologischer 
    Schwankungen bleibt -, braucht es Leistungsdichten um 100 Millionen µW/m
2. 
    Ausschließlich an den thermischen Wirkungen auf biologisches Gewebe 
    orientieren sich auch die geltenden Grenzwerte. Um die Erwärmung des 
    Körpers auf höchstens 0,1 Grad zu begrenzen, legt die 26. Bundesimmissionsschutz-Verordnung 
    (BImSchVO) die höchstzulässigen mittleren Leistungsdichten für 
    das 
GSM-900-Netz auf 4,5 Millionen, für das 
DCS-1800-Netz 
    auf 10 Millionen µW/m
2 fest; dies entspricht maximalen elektrischen 
    Feldstärken von 
42 beziehungsweise 
58 V/m.
    
    
Ionisierende und nicht-ionisierende Strahlung hat je nach Frequenzbereich 
    unterschiedliche Auswirkungen - wobei sich die diversen wissenschaftlichen 
    Studien in der Relevanz möglicher Nebenwirkungen elektromagnetischer 
    Felder stark unterscheiden. 
    
    Wie die meisten Länder folgt die Bundesrepublik damit den Empfehlungen 
    der Internationalen Strahlenschutz-Kommission für Nicht-Ionisierende 
    Strahlen (ICNIRP) [
1], die wissenschaftlich basierte Richtlinien 
    und Grenzwerte erarbeitet und als nicht-regierungsamtliche Vereinigung förmlich 
    von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannt ist.
    
Grenz- und Schwellwerte
    Da die Immission selbst noch nichts über die Wirkung auf den menschlichen 
    Organismus aussagt, ist sie nur mittelbar ein Maß für die tatsächliche 
    Exposition. Entscheidend ist, wie der Körper die Einstrahlung absorbiert 
    und die aufgenommene Energie verarbeitet. Diese Vorgänge werden durch 
    die spezifische Absorptionsrate (SAR) charakterisiert, die aufgenommene Leistung 
    pro Kilogramm Körpermasse. Der Immission von 100 Millionen µW/m
2, 
    die in biologischem Gewebe zu einer Temperaturerhöhung von ein Grad Celsius 
    führen kann, liegt eine SAR von 4 W/kg zu Grunde.
    
    Mit einem Sicherheitsfaktor 10 wurde als Grenzwert für beruflich exponierte 
    Personen ein SAR-Wert von 0,4 W/kg definiert; für die allgemeine Bevölkerung 
    empfiehlt ICNIRP, mit einem zusätzlichen Sicherheitsfaktor 5 die SAR 
    auf 0,08 W/kg zu begrenzen. An diesen Vorgaben orientieren sich die nationalen 
    Strahlenschutzbehörden der meisten Länder bei der Herleitung der 
    frequenzabhängigen Feldstärke- oder Leistungsdichte-Grenzwerte, 
    die sich in der Praxis leichter messen lassen als der SAR-Wert.
    
    Grenzwerte sind, selbst wenn sie sich aus komplizierten Formeln ableiten, 
    eine politische Übereinkunft. Sie definieren einen Sicherheitsabstand 
    zu wissenschaftlich anerkannten Wirkungsschwellen. Damit markieren sie, wie 
    es ein Kenner der Materie einmal treffend ausdrückte, nicht unbedingt 
    die Schwelle der Gefährdung, sondern die des Gerichtssaales: Ein Überschreiten 
    muss nicht unmittelbare gesundheitliche Schäden nach sich ziehen; es 
    bietet Betroffenen aber rechtlich eine Handhabe, gegen den Verursacher vorzugehen.
    
    Wissenschaftlich anerkannt sind bislang ausschließlich die thermischen 
    Wirkungen hochfrequenter Felder. Grenzwerte stützen sich auf bekannte 
    Effekte; ungesicherte Erkenntnisse oder das Risiko des Nichtwissens berücksichtigen 
    sie nicht. Für vermutete Gefährdungen tragen - im Juristendeutsch 
    - die Betroffenen die Beweislast, nicht der Zustandsstörer. Eine Umkehrung 
    der Beweislast erscheint kaum denkbar. Sonst müssten, da Nulleffekte 
    nicht beweisbar sind, die Betreiber ihre Anlagen stilllegen. In dieser Hinsicht 
    unterscheidet sich die Mobilfunk-Strahlung nicht von den materiellen Immissionen 
    ökotoxischer Chemikalien in Wasser, Luft und Boden: Jede Festlegung von 
    Grenzwerten ist mit einer Risikozumutung verbunden und der Fortschritt bleibt 
    ein andauerndes Experiment mit der Gesellschaft.
    
Messaktionen
    Als Reaktion auf die wachsende Besorgnis der Öffentlichkeit ließ 
    das österreichische Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr 
    im vergangenen Jahr an sieben Standorten Expositionsmessungen der Felder aus 
    UKW- und Fernsehsendern sowie Mobilfunk-Basisstationen durchführen [
2]. 
    Die österreichische Norm S 1120 legt je nach Frequenz Grenzwerte zwischen 
    1 und 10 Millionen µW/m
2 fest; die ermittelten maximalen 
    Leistungsdichten der UKW-, VHF- und UHF-Sender erreichten 93 µW/m
2; 
    die höchste gemessene Leistungsdichte einer Mobilfunk-Anlage betrug 856 
    µW/m
2.
    
    Bei diesem Fall handelte es sich um ein Firmengebäude, an dessen Fassade 
    sich eine GSM-900-Antenne befand; der gemessene Wert trat bei 909 MHz auf. 
    In demselben Firmengebäude lieferte die breitbandige Messung in dem gesamten 
    Spektralbereich von 30 MHz bis 1 GHz allerdings einen sechsfach höheren 
    Wert von 5198 µW/m
2, der zwar auch nur 0,26 Prozent des geltenden 
    Grenzwerts ausmacht, aber doch immerhin zeigt, wie sehr sich unter Umständen 
    die Exposition aus verschiedenen Quellen aufsummieren kann.
    
    Bei der Auswertung der Messungen kam der Biophysiker Jiri Silny, Professor 
    am Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik der 
RWTH 
    Aachen, zu dem Schluss, dass die relevanten Leistungsflussdichten einen 
    
Faktor 1000 unter den international anerkannten Grenzwerten blieben. 
    'Im Allgemeinen werden diese Werte insbesondere in Wohnungen auch in der unmittelbaren 
    Nähe von Wohnanlagen oder in Räumlichkeiten, die sich unterhalb 
    der Antenne befinden, deutlich unterschritten', so das Fazit der Studie. Die 
    typischen Werte von Wohnungen in der Nähe von Basisstationen lagen bei 
    20 µW/m
2, einem Bruchteil von Promille des geltenden Grenzwerts. 
    'Eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch derart schwache Felder konnte 
    bisher nicht aufgezeigt werden', heißt es daher.
    
    In der Bundesrepublik führt die Regulierungsbehörde für Telekommunikation 
    und Post (RegTP) seit 1992 in periodischen Abständen von vier Jahren 
    bundesweite EMVU-Messaktionen durch. Das Monitoring soll sicher stellen, dass 
    mit der Errichtung immer neuer Sendeanlagen das Fass nicht überläuft 
    und irgendwann die höchstzulässigen Personenschutzwerte überschritten 
    werden. Dazu werden an rund 1250 Messorten - hauptsächlich in Bereichen 
    von allgemein zugänglichen Straßen, Plätzen und Anlagen sowie 
    Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern - die vor Ort auftretenden 
    Feldstärken ermittelt und ins Verhältnis zu den geltenden Grenzwerten 
    gesetzt.
    
    Wurden 1992 die Immissionen im Frequenzbereich von 10 kHz bis 1 GHz gemessen, 
    so dehnte die RegTP bei der zweiten Messreihe 1996/97 diesen Bereich auf 10 
    kHz bis 2,9 GHz aus, um auch die neu hinzugekommenen Mobilfunk-Dienste insbesondere 
    der E-Netze mit erfassen zu können. In der derzeit laufenden Messaktion 
    1999/2000 wurde das Spektrum nochmals erweitert und umfasst nun in zwei überlappenden 
    Teilen die niederfrequenten (1 Hz bis 10 MHz) und die hochfrequenten (100 
    kHz bis 300 GHz) Felder. Die Auswertung soll noch im Laufe dieses Halbjahres 
    abgeschlossen und dann im Internet veröffentlicht werden; Tabellen mit 
    ersten Ergebnissen für die einzelnen Bundesländer sind dort bereits 
    zu finden [
3].
    
    Die ersten beiden Messreihen legten der Bewertung noch die Grenzwerte der 
    Norm DIN VDE 0848 Teil 2 vom Oktober 1991 zu Grunde. Die derzeitige Messreihe 
    beruht im Einklang mit der BImSchVO und der EU-Empfehlung 1999/519/EG vom 
    Juli letzten Jahres auf den ICNIRP-Richtlinien. Allerdings lassen sich auf 
    Grund der Umstellung die neuen Messergebnisse nicht mit den früheren 
    vergleichen und erlauben somit auch keine Rückschlüsse auf die zeitliche 
    Entwicklung der Immissionen an einem bestimmten Messpunkt; Aussagen, ob an 
    einzelnen Standorten eine Zunahme oder Abnahme des Feldstärkeniveaus 
    erkennbar ist, sind somit nicht möglich.
    
    Ein echter Verlust an Information ist das nicht, denn selbst die jetzt im 
    Frequenzbereich von 100 kHz bis 300 GHz ermittelten Höchstwerte bewegen 
    sich noch im Promillebereich des maximal zulässigen Wertes. In Berlin 
    beispielsweise ergab sich als höchster Messwert 0,6 Prozent, als niedrigster 
    0,01 Prozent des Grenzwerts; in Nordrhein-Westfalen lag die Spanne zwischen 
    0,8 Prozent und 0,002 Prozent.
    
Hitzköpfig
    Sowohl die österreichische als auch die bundesdeutsche Messaktion, die 
    übereinstimmend die aktuell verhältnismäßig geringe Belastung 
    der Allgemeinbevölkerung aufzeigen, beschränkten sich auf die Erfassung 
    der von ortsfesten Sendeanlagen hervorgerufenen Immissionen. Die Wirkung der 
    Handys auf die Mobilfunk-Teilnehmer selbst war nicht Gegenstand der Untersuchungen.
    
    'Wenn überhaupt eine Beeinflussung vorliegt, dann würde ich sie 
    primär von den Handys erwarten', meint Silny; 'die 
Exposition durch 
    Handys ist ja Faktor 1000 bis 10 000 stärker als die durch Basisstationen'. 
    Typische SAR-Werte der Mobiltelefone liegen zwischen 0,2 und 0,4 W/kg. Die 
    Streuung ist jedoch wesentlich größer und reicht von 0,02 bis 1 
    W/kg.
    
    Der Grund für diese Spannbreite ist nicht nur in den Konstruktionsunterschieden 
    der Hersteller zu finden, sondern liegt teilweise auch an der Art der Messung 
    und den dazu herangezogenen Kopf- und Absorptionsmodellen. Im ungünstigsten 
    Fall, und wenn das Gerät bei schwierigen Empfangsbedingungen mit voller 
    Leistung strahlt, kann sich das 
Kopfgewebe folglich um einige zehntel Grad 
    erwärmen, ein Effekt, den Spötter mit dem Aufsetzen einer Pudelmütze 
    vergleichen.
    
    Aber sind die thermischen Wirkungen, auf denen gegenwärtig die Grenzwertfestsetzungen 
    beruhen, tatsächlich die einzigen? Die herrschende Meinung geht davon 
    aus, dass nicht-ionisierende Strahlung bei geringer Intensität harmlos 
    ist und nachweisbare Wirkungen erst ab einem Schwellwert bei einer bestimmten 
    Mindestfeldstärke eintreten. Im Unterschied zu Röntgen- und Gammastrahlen 
    sind die hochfrequenten elektro
magnetischen 
    Felder viel zu schwach, um die Bindungen, die die Moleküle in den Zellen 
    zusammenhalten, aufzubrechen und biologisches Gewebe - etwa die 
DNS 
    im Zellkern - durch Ionisierung zu schädigen. Zu dieser Aufspaltung ist 
    mindestens eine Strahlungsenergie von einigen Elektronenvolt (eV) nötig; 
    die 1-eV-Grenze liegt im ultravioletten Teil des Spektrums. Davon ist die 
    Energie der Strahlungsquanten von Mobilfunk-Wellen - sie beträgt 4 µeV 
    bei 0,9 GHz und 7 µeV bei 1,8 GHz - etwa um den Faktor 10
-6 
    entfernt.
    
    Wenn es also 
nicht-thermische Effekte und 'low-level radiation hazards' 
    der nicht-ionisierenden Strahlung geben sollte, müssen sie auf anderen 
    Wechselwirkungsmechanismen beruhen. Die Komplexität der medizinischen 
    und physikalischen Zusammenhänge lässt hier ein weites Feld für 
    Interpretation und Spekulation. Für Aufsehen sorgten beispielsweise zwei 
    Arbeiten, in denen 1992 der amerikanische Biologe Robert Liburdy über 
    den 
Einfluss elektromagnetischer 
    Felder auf die Kalziumionen-Mobilität in Zellen berichtete. Da Kalziumionen 
    eine wichtige Rolle bei der Zellteilung spielen und das Wachstum von Tumoren 
    wiederum mit der Zellvermehrung zusammenhängt, begründeten sie erstmals 
    den Verdacht, dass nicht-ionisierende Strahlung 
krebsfördernd sein 
    könnte. Das klang plausibel, und entsprechend genau wurden die Arbeiten 
    von den Fachkollegen gewürdigt. Die Resultate ließen sich jedoch 
    nicht reproduzieren; Unstimmigkeiten legten vielmehr den Verdacht nahe, dass 
    die experimentellen Ergebnisse manipuliert waren. Nach einem langwierigen 
    Verfahren wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens zog der Autor im vergangenen 
    Jahr beide Veröffentlichungen zurück.
    
    'Es gibt wenige Fachgebiete', meint Jiri Silny, 'die derart mit theoretischen 
    Ansätzen, spekulativen Denkmodellen, unbewiesenen Hypothesen oder Theorien, 
    aber auch mit Aberglauben durchsetzt sind'. In den letzten 30 Jahren sind 
    
rund 25 000 Fachveröffentlichungen zum Thema erschienen. Rund 
    3000 hat Silny zurzeit in einer Datenbank erfasst, mit der er für mehr 
    Transparenz sorgen will [
4].
    
    Das Überangebot an Information verschleiert eher, wie wenig man wirklich 
    weiß. In der emotional aufgeladenen Debatte beschränken sich die 
    meisten Wissenschaftler lieber auf die Generierung von Mikrowissen und scheuen 
    vor zusammenhängenden Bewertungen zurück. Da heißt es dann 
    etwa in einer Untersuchung zur Bestrahlung von Fadenwürmern mit 750-MHz-Mikrowellen, 
    die Resultate 'deuten darauf hin, dass die derzeitigen Expositionsgrenzwerte 
    möglicherweise überprüft werden müssen', denn ähnliche 
    Effekte wie die beobachteten 'könnten unter Mikrowelleneinfluss auch 
    in menschlichem Gewebe auftreten, eine Möglichkeit, die weiterer Untersuchungen 
    bedarf' [
5].
    
    'Möglicherweise', 'könnten', 'deuten darauf hin' - Wissenschaftler 
    sind aus guten Gründen vorsichtig in ihrer Wortwahl. Da es in der Biologie 
    und Medizin nicht möglich ist, Nulleffekte zu beweisen, kann sich die 
    Zunft der Angelegenheit nur mit Trial and Error nähern, indem sie Hypothesen 
    über vermutete oder verdächtigte Wirkungsmechanismen aufstellt und 
    dann versucht, diese in experimentellen Simulationen oder epidemiologischen 
    Studien zu verifizieren. Unterdessen ruft das Publikum auf den Rängen 
    'Bravo' oder 'Schiebung', je nachdem, welche Interessen oder Vorurteile von 
    der neuesten Untersuchung gerade bedient werden. Schon wird die ganze Veranstaltung 
    diskreditiert mit der Unterstellung, die Forscher würden höchst 
    eigennützig Ängste und Befürchtungen schüren und etwaige 
    Gefährdungen und Risiken bewusst dramatisieren, um darzulegen, wie dringend 
    es weiterer Forschungen und Fördermittel bedürfe.
    
    Doch so einfach lässt sich die Diskussion um die 'low-level radiation 
    hazards' nicht beerdigen. Es gibt durchaus 
ernst zu nehmende Hinweise auf 
    nicht-thermische Wirkungen hochfrequenter, elektromagnetischer 
    Felder geringer Intensität. Die zellbiologische Untersuchung der 
    Forscher von der Universität Nottingham und der kanadischen University 
    of British Columbia an den Fadenwürmern beispielsweise zeigte, dass die 
    bestrahlten Würmer so genannte 
Hitzeschock-Proteine produzierten. 
    Diese speziellen Eiweiße agieren als molekularer Schutz zur Rettung 
    von Zellproteinen, wenn ein Organismus von Wärme oder toxischen Stoffen 
    angegriffen wird.
    
    Aber in diesem Fall war keine Wärme im Spiel. Die spezifische Absorptionsrate 
    betrug nur 1000 µW/kg - war also deutlich geringer als die 200 000 bis 
    400 000 µW/kg handelsüblicher Handys - und die Körpertemperatur 
    der Tiere in den Proben blieb gleich. Um denselben Effekt auf thermischem 
    Wege zu erzielen, hätte sie mindestens um drei Grad ansteigen müssen. 
    Dass die Versuche an Fadenwürmern durchgeführt wurden, ist nicht 
    unbedingt beruhigend: Die Hitze-Schock-Reaktion ist ein universeller Mechanismus, 
    mit dem auch menschliche Körperzellen entsprechende Eiweiße ausschütten, 
    wenn sie unter Stress geraten.
    
Restrisiko?
    Epidemiologische Auffälligkeiten zwischen der Handy-Nutzung und der Häufigkeit 
    von Krebserkrankungen sind bisher nicht beobachtet worden. Aber da Tumore 
    mehrere Jahre zur Entwicklung benötigen, lässt sich daraus noch 
    nichts ableiten. Um Langzeitwirkungen herauszufinden, müssen so genannte 
    Fall-Kontroll-Studien an Erkrankten und Gesunden nicht nur ein Nutzungsverhalten 
    erfassen, das etwa fünf bis zehn Jahre zurückliegt - also in die 
    Frühphase des Mobilfunk-Booms fällt -, sondern es auch noch von 
    anderen Krebs auslösenden Faktoren statistisch signifikant abgrenzen 
    können. Immerhin: Schon der geringe Anstieg der Krebswahrscheinlichkeit 
    um ein Promille würde unter den derzeit rund einer halben Milliarde Handy-Nutzern 
    weltweit 500 000 Tumorerkrankungen zusätzlich bedeuten.
    
    Aufschluss über derartige Langzeit-Risiken soll das 1996 von der Weltgesundheitsorganisation 
    ins Leben gerufene Internationale EMF-Projekt liefern [
6]. 
    Im Rahmen dieses Projektes organisiert derzeit das in Lyon ansässige 
    Internationale Krebsforschungszentrum (IARC) Fall-Kontroll-Studien an mehr 
    als 6000 Probanden in Deutschland, Frankreich, England, den Vereinigten Staaten 
    und neun weiteren Ländern. Nach dem Abschluss der rund zwölf Millionen 
    Mark teuren Erhebung - erste Ergebnisse sind in drei bis vier Jahren zu erwarten 
    - lässt sich dann vielleicht die Frage beantworten, ob die Exposition 
    mit niedrigdosierten HF-Feldern mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden 
    ist.
    
    Neben den klinischen Untersuchungen hat sich das noch bis zum Jahre 2005 laufende 
    WHO-Vorhaben die Koordinierung der Forschungsaktivitäten und die Vereinheitlichung 
    der oftmals nicht vergleichbaren Messmethoden und Auswerteverfahren zum Ziel 
    gesetzt. Angeschlossen haben sich rund 40 Staaten sowie eine Reihe internationaler 
    Organisationen. Die konkreten Arbeiten führen die Internationale Kommission 
    für den Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung (ICNIRP) und weitere 
    Einrichtungen, die mit der WHO auf wissenschaftlicher Ebene zusammenarbeiten, 
    durch. Dazu zählen das National Radiological Protection Board (England), 
    das Bundesamt für Strahlenschutz (Deutschland), das Karolinska Institut 
    (Schweden), das Nationale Institut für Umweltforschung (Japan) sowie 
    die Food and Drug Administration, das National Institute of Environmental 
    Health Sciences und das National Institute of Occupational Safety and Health 
    in den USA.
    
    Geleitet wird das internationale 
EMF-Projekt von Michael Repacholi. 
    Der Australier hat einen Wandel vom Paulus zum Saulus durchgemacht. Ursprünglich 
    war er selbst von der Unbedenklichkeit der Handy-Emissionen überzeugt 
    - bis er eigene Untersuchungen anstellte. Mit seinem Team am Royal Adelaide 
    Hospital setzte er Labormäuse, das Modellsystem der Biomediziner, mit 
    einer SAR von 0,008 bis 4,2 W/kg über 18 Monate 
täglich eine 
    Stunde lang den gepulsten 900-MHz-Feldern eines GSM-Mobilfunk-Handys aus. 
    Dabei stellte sich heraus, dass in der bestrahlten Gruppe 
Geschwülste 
    der Lymphknoten - so genannte Lymphome - doppelt so häufig auftraten 
    wie in der unbestrahlten Kontrollgruppe.
    
    Repacholi hatte die Arbeit zunächst beim Wissenschaftsmagazin Science 
    eingereicht, das die Veröffentlichung jedoch mit der Begründung 
    ablehnte, derartig folgenschwere Ergebnisse könnten eine Panik hervorrufen 
    und müssten erst durch ein unabhängiges Team verifiziert werden. 
    Nature und drei weitere einschlägige Fachzeitschriften lehnten die Publikation 
    ebenfalls ab, bis sie dann 1997 in Radiation Research erschien [
7]. 
    In Australien und Europa bemühen sich gegenwärtig Forschergruppen, 
    Repacholis Ergebnisse zu reproduzieren; selbst wenn sich die Ergebnisse bestätigen 
    sollten, bliebe noch die Frage der Übertragbarkeit auf den Menschen zu 
    klären. Bis auf weiteres jedenfalls müssen Handy-User mit der Ungewissheit 
    leben.
    
Unbequeme Experten
    Die bislang umfassendste Bestandsaufnahme und Bewertung der Erkenntnisse zu 
    den Gesundheitsrisiken der Mobiltelefonie legte im Mai des Jahres die Independent 
    Expert Group on Mobile Phones (IEGMP) in England vor, wo der Mobilfunk-Boom 
    von rund 175 lokalen und landesweiten Bürgerinitiativen kritisch begleitet 
    wird. Die von Sir William Stewart von der Royal Society geleitete Expertengruppe 
    setzte sich aus ausgewiesenen Biologen, Medizinern, Epidemiologen, Physikern 
    und Nachrichtentechnikern zusammen und war im vergangenen Jahr vom britischen 
    Gesundheitsministerium einberufen worden - ein deutlicher Affront gegen die 
    Nationale Strahlenschutzbehörde NRPB und deren eigenen wissenschaftlichen 
    Beirat zu den Fragen der nicht-ionisierenden Strahlung.
    
    Zusammengefasst kommen die Briten in ihrem Report 'Mobile Phones and Health' 
    zu folgenden Ergebnissen: 
    
      - Im Umfeld von Basisstationen, wo die Exposition weit unter den Grenzwerten 
        bleibt, besteht kein allgemeines gesundheitliches Risiko für die 
        dort lebende Bevölkerung.
- Es gibt jedoch deutliche Anzeichen, dass die Exposition der Handy-Nutzer 
        durch Strahlung mit Intensitäten unterhalb der gültigen ICNIRP-Grenzwerte 
        direkte, kurzfristige Einflüsse auf die Hirnstromaktivitäten 
        und die kognitiven Funktionen des Gehirns hat. 'Es besteht ein dringender 
        Bedarf herauszufinden, ob diese direkten Auswirkungen auf das Gehirn gesundheitliche 
        Folgen haben, weil dann die Expositionsgrenzwerte neu festgelegt werden 
        müssen, sofern sich dafür ein Schwellwert angeben lässt.' 
        Wichtig sei die Klärung der Frage, ob die beobachteten Effekte eine 
        Folge der lokalen Erwärmung sind oder auf anderen, nicht-thermischen 
        Mechanismen beruhen.
- Die derzeit verfügbaren epidemiologischen und biologischen Erkenntnisse 
        lassen nicht den Schluss zu, dass die Exposition mit hochfrequenter elektromagnetischer 
        Strahlung das Risiko für Krebserkrankungen erhöht. 'Mobiltelefone 
        sind jedoch noch nicht lange genug im Gebrauch, um eine umfassende epidemiologische 
        Erfassung ihrer gesundheitlichen Auswirkungen zu erlauben, und wir können 
        zum jetzigen Zeitpunkt die Möglichkeit nicht ausschließen, 
        dass es eine Verbindung zwischen der Mobilfunk-Technik und Krebs gibt.'
- Untersuchungen an Zellen und Tieren deuten nicht darauf hin, dass die 
        Mobilfunk-Strahlung im Rahmen der festgelegten Grenzwerte schädigende 
        Einflüsse auf das Herz-Kreislauf-System, das Immunsystem oder die 
        Fortpflanzung haben. Selbst eine langandauernde Exposition scheint die 
        Lebenserwartung nicht zu beeinflussen. Auch die derzeit noch begrenzten 
        epidemiologischen Erkenntnisse geben diesbezüglich keinen Anlass 
        zu Besorgnis.
    Die IEGMP verkennt nicht die Bedeutung der mobilen Kommunikation als einen 
    der am kräftigsten wachsenden Wirtschaftszweige, noch dazu einem, auf 
    dem Europa mit dem GSM-Standard weltweit führend ist; sie verlangt jedoch, 
    dass sich alle Beteiligten vom Vorsorgeprinzip leiten lassen, 'bis mehr und 
    wissenschaftlich fundiertere Informationen zu den gesundheitlichen Auswirkungen 
    verfügbar sind'. Insbesondere sollten die amtlichen Strahlenschützer 
    mit mehr Offenheit und weniger abwiegelnd an die ungeklärten wissenschaftlichen 
    Fragen herangehen.
    
    Von den Mobilfunk-Betreibern erwarten die Experten, dass sie 
Kinder als 
    Zielgruppe von ihren Marketingaktivitäten ausnehmen, weil diese auf Grund 
    ihrer dünneren Schädeldecke und des sich noch entwickelnden Nervensystems 
    
einem größeren Risiko ausgesetzt sind. Die Handy-Hersteller 
    werden aufgefordert, sich auf standardisierte Testverfahren der Strahlenbelastung 
    zu verständigen und die SAR-Werte auf den Endgeräten anzugeben; 
    nach dem Vorbild der Verbrauchswerte von Kraftfahrzeugen sollten die Ergebnisse 
    solcher Vergleichstests öffentlich leicht zugänglich sein, damit 
    die Konsumenten bewusstere Kaufentscheidungen treffen können.
    
    Besonders kritisch setzt sich die IEGMP mit der Politik und den von ihr geschaffenen, 
    speziellen Rahmenbedingungen der Planung und der Standortwahl für die 
    Basisstationen auseinander, die ohne ein förmliches Genehmigungsverfahren 
    auch in Wohngebieten errichtet werden können: 'Wir betrachten dies als 
    unakzeptabel.'
    
Ohne Beteiligung
    Die quasi 
genehmigungsfreien Installationspraktiken in England unterscheiden 
    sich nicht von denen in der Bundesrepublik. Im Rahmen des mit der Lizenz 
    erworbenen Versorgungsauftrags sind die Mobilfunk-Betreiber lediglich anzeigepflichtig 
    und müssen nur eine Standortbescheinigung der Regulierungsbehörde 
    vorweisen können, dass der Betrieb der Basisstation die festgelegten 
    Grenzwerte einhält. Ein Genehmigungsverfahren ist mit dem Errichten nicht 
    verbunden, einzig mit den Grundstücks- oder Gebäudeeigentümer 
    müssen sie verhandeln und sich mit ihm über die Konditionen einigen.
    
    Ein öffentlich zugängliches Kataster mit den Standorten und Emissionsdaten 
    der 'ortsfesten Sendeanlagen' gibt es ebenfalls nicht. Vom Gesetzgeber verlangt 
    die IEGMP nun, die pauschale Betriebsgenehmigung zu widerrufen und die Errichtung 
    neuer wie auch die Erweiterung bestehender Basisstationen den normalen Antrags- 
    und Genehmigungsverfahren zu unterwerfen. Genau dies hatten die Sonderrechte 
    für Mobilfunk-Betreiber vermeiden wollen, weil diese wie der Teufel das 
    Weihwasser die Einsprüche der Betroffenen fürchteten.
    
    Dabei könnten sie denen recht gelassen entgegensehen. Denn nach dem derzeitigen 
    Kenntnisstand, so stellen auch die kritischen Briten fest, gibt es keine Anhaltspunkte 
    dafür, dass die Exposition mit hochfrequenter elektro
magnetischer 
    Strahlung unterhalb der ICNIRP-Richtwerte eine Gesundheitsgefährdung 
    der Allgemeinbevölkerung darstellt. Verglichen mit anderen Risiken des 
    Alltagslebens - etwa dem 
Blutzoll des Straßenverkehrs, der in der 
    Bundesrepublik Jahr für Jahr die Bevölkerung einer Kleinstadt ausrottet 
    und die Einwohnerzahl einer Stadt wie Hannover schwer verletzt - mutet 
    die Gefährdung durch die Mobilkommunikation noch relativ harmlos an.
    
    Richtig schlimm wird es nur, wenn beim Handy-Quasseln am Lenkrad beides zusammentrifft 
    und das erhöhte Risiko dann Verursacher und unbeteiligte Verkehrsteilnehmer 
    gleichermaßen trifft. Ob mit Handapparat, Ohr-Clip oder Freisprecheinrichtung 
    telefoniert wird, macht Untersuchungen zufolge keinen Unterschied; die Gefährdung 
    geht auch nicht von den Mobilfunk-Wellen aus, sondern ist - darin sind sich 
    die britischen Experten 'fast sicher' - der Ablenkung durch das Gespräch 
    selbst zuzuschreiben. (jk)
    
Literatur
    [1] Internationale Strahlenschutz-Kommission für 
      Nicht-Ionisierende Strahlen, www.icnirp.de 
    [2] Jiri Silny, Exposition der Allgemeinbevölkerung 
      durch hochfrequente elektromagnetische 
      Felder - Plausibilität der gesundheitlichen Unbedenklichkeit, September 
      1999, www.bmv.gv.at
    [3] Regulierungsbehörde für Telekommunikation 
      und Post www.regtp.de
    [4] Helmholtz-Institut für Biomedizinische Technik 
      der RWTH Aachen, Studien über Elektrosmog www.femu.rwth-aachen.de
    [5] Nature 417, 405 (2000)
    [6] Internationale EMF-Projekt der Weltgesundheitsorganisation, 
      www.who.ch/emf
    [7] Radiation Research 631, 147 (1997)
    [8] Independent Expert Group on Mobile Phones, Mobile 
      Phones and Health www.iegmp.org.uk/IEGMPtxt.htm
    
    Immissionsgrenzwerte der Mobilfunk-Systeme
    
       
        |  | GSM-900 | DCS-1800 | 
       
        | elektrische Feldstärke | 42 V/m | 58 V/m | 
       
        | magnetische Feldstärke | 0,13 A/m | 0,157 A/m | 
       
        | mittlere Leistungsdichte | 4,5 W/m2 | 10 W/m2 | 
    
    
    Dosimetrie
    Im Unterschied zu Röntgen- und Gammastrahlen sind die hochfrequenten 
    elektro
magnetischen Felder nicht energiereich 
    genug, um die Bindungskräfte der Moleküle in den Zellen aufbrechen 
    zu können und auf diese Weise eine Ionisierung zu verursachen. Sie werden 
    deshalb auch als nicht-ionisierende Strahlung bezeichnet. Von ihr wird angenommen, 
    dass sie bei geringer Intensität harmlos ist und erst bei hohen Intensitäten 
    Gewebeschäden verursacht. Sie kann jedoch unterschiedliche Wirkungen 
    auf biologische Systeme - Zellen, Pflanzen, Tiere oder Menschen - entfalten, 
    die von der Frequenz und Intensität abhängen.
    
      - HF-Felder über 10 GHz werden an der Hautoberfläche 
        absorbiert, wobei nur ein sehr geringer Teil der Energie in das darunter 
        liegende Gewebe eindringt. Die dosimetrische Grundgröße in 
        diesem Frequenzbereich ist die Leistungsflussdichte in W/m2.
- Felder zwischen 1 MHz und 10 GHz dringen in exponierte Gewebe 
        ein und erwärmen diese durch Energieabsorption. Die Eindringtiefe 
        hängt von der Frequenz ab und sinkt mit steigender Frequenz: Sie 
        verringert sich - gute Nachricht für die E-Netz-Teilnehmer - von 
        2,5 cm bei 900 MHz auf 1 cm bei 1800 MHz. Die relevante dosimetrische 
        Größe in diesem Frequenzbereich ist die spezifische Absorptionsrate 
        (SAR) mit der Einheit W/kg.
- Felder unter 1 MHz bewirken keine signifikante Erwärmung, 
        können aber elektrische Ströme und Felder im Körper induzieren. 
        Die relevante dosimetrische Größe in diesem Frequenzbereich 
        ist daher die Stromdichte in A/m2. Die natürlichen Austauschprozesse 
        im Körper führen im Gewebe zu 'Grundströmen' in der Größenordnung 
        von 10 mA/m2; induzierte Stromdichten von über 100 mA/m2 
        können die Normalfunktion des Körpers beeinträchtigen und 
        zu ungewollten Muskelkontraktionen führen.
    Die für die hochfrequenten Mobilfunkfelder maßgebliche SAR ist 
    mit einfachen Mitteln nicht direkt zugänglich; sie lässt sich nur 
    sehr aufwändig am 'Kunstkopf' experimentell bestimmen oder mit gewissen 
    Annahmen berechnen. So ist die Energieaufnahme in einem bestimmten Gewebe 
    der Masse m durch msE
2/V gegeben, wobei s und V die Leitfähigkeit 
    beziehungsweise Dichte des Gewebes sind und E
2 die mittlere quadratische 
    Feldstärke. Die SAR ergibt sich dann durch sE
2/V. Sie variiert 
    innerhalb des Körpers, da die elektrische Feldstärke ortsabhängig 
    ist und die Leitfähigkeit von der Art des Gewebes abhängt, (die 
    Dichte ist im Wesentlichen konstant und beträgt mit Ausnahme der Knochen 
    0,001 kg/m
3). Legt man eine durchschnittliche Gewebeleitfähigkeit 
    von 1 S/m zu Grunde, so beträgt bei der Frequenz von 900 MHz die typische 
    elektrische Feldstärke 30 V/m, um eine SAR von 1 W pro kg Gewebemasse 
    zu erzielen.
    
    Auf diese Weise lässt sich die tatsächliche Exposition (des Menschen 
    an einem bestimmten Ort) in Beziehung zu den leichter messbaren Immissionswerten 
    (an diesem Ort) setzen. Da elektrische Feldstärke (in V/m) und Leistungsflussdichte 
    (in W/m
2) in einer festen physikalischen Beziehung zueinander stehen 
    und sich ineinander umrechnen lassen, ist die Angabe der Immissionsgrenzwerte 
    sowohl in der einen als auch in der anderen Größe üblich.
    
    
    Vermutungen und Entwarnungen
    Die britische 
Independent Expert Group on Mobile Phones hat in ihrer 
    Studie 'Mobile Phones and Health' einige zentrale Punkte der Diskussion um 
    die Auswirkungen elektro
magnetischer 
    Felder von Handys zusammengefasst.
    
    
Kanzerogenität: Das krebsauslösende Potenzial hochfrequenter 
    elektro
magnetischer Felder ist umstritten. 
    Theoretisch lassen sich negative Einflüsse auf die 
DNA nicht begründen, 
    da die Mobilfunkstrahlung nicht energiereich genug ist, um molekulare Bindungen 
    auf direktem Wege aufzubrechen.
    
    Einige Studien behaupten auf Grund von Tierversuchen, dass HF-Felder Tumore 
    auslösen, die Wirkung bekannter kanzerogener Stoffe verstärken oder 
    das Wachstum transplantierter Tumore beschleunigen können. Dies könnte 
    auf die hohe Dosis der Exposition und thermische Effekte zurückzuführen 
    sein.
    
    Insgesamt gibt es keine Erkenntnisse aus In-vitro- und In-vivo-Experimenten, 
    dass eine akute oder chronische Exposition mit HF-Feldern die Häufigkeit 
    des Auftretens von Mutationen oder Chromosom-Veränderungen verstärkt, 
    solange die Temperaturen im physiologischen Bereich bleiben.
    
    
Kalziumtransport: Kalziumionen signalisieren Zellen das An- und Abschalten 
    von Genen und spielen eine wichtige Rolle bei der Zellteilung. Hochfrequenzfelder 
    mit Intensitäten deutlich unterhalb von thermischen Wirkungen können 
    den Transport von Kalzium und anderen Ionen durch die Membranen von Nervenzellen 
    (Neuronen) beeinflussen. Solche Effekte wurden jedoch nur unter sehr speziellen 
    Bedingungen beobachtet (Amplitudenmodulation mit 16 Hz), die für Mobilfunksysteme 
    irrelevant sind.
    
    
Lebenserwartung: In Tierversuchen ist kein Einfluss von HF-Feldern 
    auf die Lebenserwartung nachgewiesen worden.
    
    
Fortpflanzung: Versuche an Laborratten haben keinen Nachweis erbracht, 
    dass mobilfunktypische HF-Felder den Fötus schädigen oder die Fruchtbarkeit 
    beeinträchtigen.
    
    
Herz-Kreislauf-System: Tierversuche rechtfertigen keine Bedenken etwaiger 
    Auswirkungen auf Herz oder Kreislauf, solange die Intensität im mobilfunktypischen 
    Bereich bleibt; beobachtete Effekte bei sehr hohen Intensitäten sind 
    anscheinend auf die Erwärmung des Körpers zurückzuführen.
    
    
Hirnstrom-Aktivitäten und kognitive Funktionen: Kontrollierte 
    Versuche mit menschlichen Probanden deuten darauf hin, dass die Exposition 
    mit Mobilfunksignalen unterhalb der geltenden Intensitätsgrenzwerte 
biologische 
    Effekte auslösen, die hinreichend stark sind, um das Verhalten zu beeinflussen. 
    Der Ursache-Wirkungs-Mechanismus ist unklar. Langfrist-Effekte sind unbekannt; 
    die bisherigen Untersuchungen beschränkten sich auf die Kurzzeit-Exposition. 
    Tierversuche zeigten unspezifische, 
stress-ähnliche Veränderungen 
    im Gehirn von Laborratten unter dem Einfluss von gepulsten HF-Feldern 
    niedriger Intensität.
    
    
Gedächtnis und Lernfähigkeit: 'Es gibt keine konsistenten 
    experimentellen Belege dafür, dass die Exposition mit HF-Feldern geringer 
    Intensität Gedächtnis und Lernverhalten in Tieren beeinflusst. [...] 
    Untersuchungen an menschlichen Probanden sind nötig, um einschätzen 
    zu können, ob die Felder von Mobiltelefonen irgendeine Auswirkung auf 
    die Lernfähigkeit und das Gedächtnis haben.'
    
    
Augen: Das Auge reagiert besonders empfindlich auf die Einwirkung elektro
magnetischer 
    Felder, weil es auf Grund der geringen Durchblutung induzierte Erwärmungen 
    nur schwer abführen kann; schon kleinere Schädigungen können 
    irreversibel sein und sich aufsummieren. 
Augenreizungen und Linsentrübungen 
    ('grauer Star') sind in Tierversuchen nachgewiesen worden, dies allerdings 
    bei deutlich höheren Belastungen als sie von einem Handy ausgehen. Versuche 
    an Primaten zeigen, dass 
gepulste HF-Felder auch niedriger Intensität 
    das Auge schädigen können. 'Die Studien geben Anlass zu ernsthafter 
    Besorgnis über mögliche Beeinträchtigungen des Auges durch 
    
gepulste HF-Felder mit hohen Spitzenleistungen.'
    
    
Melatoninhaushalt: Melatonin ist ein Hormon, das den Tag-Nacht-Rhythmus 
    bei Mensch und Tier steuert; des Weiteren schützt es die genetische Information 
    der Zellen vor Schädigungen. Im Zusammenhang mit niederfrequenten Feldern 
    im Umfeld von Hochspannungsleitungen behauptet die Melatonin-Hypothese einen 
    Einfluss auf die Tumorentstehung, der jedoch nicht abschließend geklärt 
    ist. Es gibt nur wenige Untersuchungen zum Einfluss von hochfrequenten Feldern 
    auf die Melatoninproduktion; sie haben den Verdacht nicht erhärtet.
    
    
Blut-Hirn-Schranke: Die Blut-Hirn-Schranke ist ein Filter, das verhindert, 
    dass große Moleküle aus der Blutbahn in die Gehirnflüssigkeit 
    gelangen. Die Erkenntnisse zu einer Beeinträchtigung der Filterwirkung 
    durch HF-Exposition sind inkonsistent und widersprüchlich; jüngere 
    Arbeiten haben keinen Effekt nachgewiesen.
    
    
    Gerangel um Grenzwerte
    Seit Italien und die Schweiz aus dem internationalen Konsens ausscherten und 
    unter Berufung auf das Vorsorgeprinzip die zulässigen Emissionen von 
    Basisstationen deutlich niedriger als die Empfehlungen der Internationalen 
    Strahlenschutz-Kommission für Nicht-Ionisierende Strahlen (ICNIRP) begrenzten, 
    befürchten die Mobilfunkbetreiber, dass nun ein Wettlauf um die niedrigsten 
    Immissionsstandards einsetzt.
    
    Italien hatte 1998 die Grenzwerte auf ein Hundertstel der ICNIRP-Empfehlungen 
    herabgesetzt; in der Schweiz sind seit dem 1. Februar in Wohngegenden sowie 
    im Umfeld von Schulen und Krankenhäusern nur noch elektrische Feldstärken 
    von höchstens 4 V/m für GSM-900-Antennen und 6 V/m für DCS1800-Basisstationen 
    zulässig. Die neue Verordnung über den Schutz vor nicht-ionisierender 
    Strahlung zwingt die Betreiber, in dicht besiedelten Gebieten die Funkzellen 
    zu verkleinern und mehr Basisstationen mit kleinerer Leistung aufzustellen. 
    Im Fall der eidgenössischen Republik werden die zusätzlichen Kosten 
    auf eine Milliarde Schweizer Franken geschätzt.
    
    Grenzwerte sind der klassische Schauplatz, auf dem über die Akzeptanz 
    oder Zumutung kollektiver Risiken gerungen wird. In der Bundesrepublik war 
    der Wechsel von der DIN/VDE-Norm 0848 zu den schärferen ICNIRP-Richtlinien 
    vor allem auf die jahrelange Kritik zurückzuführen, dass zuvor eher 
    die Vertreter der einschlägigen Industrie als unabhängige Fachwissenschaftler 
    im Kleingedruckten der Mess- und Bewertungsverfahren den Ton angaben. Ob hormonähnliche 
    Substanzen im Trinkwasser oder Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln 
    - das Setzen von Umweltstandards ist immer dann besonders heftig umstritten, 
    wenn es mit einer rechtlichen Güterabwägung zwischen ungewissen 
    Folgewirkungen (dem 'Ignoranzrisiko') und den konkret greifbaren Folgekosten 
    einer Immissionsreduzierung verbunden ist.
    
    Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat die EU-Kommission deshalb im 
    Februar eine Empfehlung vorgelegt, die Kriterien für die Anwendung des 
    Vorsorgegedankens aufstellt. Dazu gehört unter anderem die Verhältnismäßigkeit: 
    Grenzwerte sollten 'nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten 
    Schutzniveau stehen und nicht auf ein 'Null-Risiko' abzielen, das sich nur 
    selten verwirklichen lässt'. Sie sollen sich auf Kosten/Nutzen-Analysen 
    des Tätigwerdens oder Unterlassens stützen und stets unter dem Vorbehalt 
    der Überprüfung durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse stehen.
    
    Als weiteren Grundsatz zur Festlegung rechtlicher Eingriffsschwellen fordert 
    die EU-Kommission 'Kohärenz': 'Lässt sich das Risiko wegen fehlender 
    wissenschaftlicher Daten und in Anbetracht bewertungsinhärenter Unklarheiten 
    nicht beschreiben, so müssen die getroffenen Vorsorgemaßnahmen 
    anderen Maßnahmen, die in ähnlichen Bereichen getroffen wurden, 
    in denen alle erforderlichen wissenschaftlichen Daten vorliegen, inhaltlich 
    entsprechen und von gleicher Tragweite sein.'
    
    Im Klartext: Das Risiko des Nichtwissens hat sich an bekannten, aber akzeptierten 
    Risiken in anderen Lebensbereichen zu messen. Solcherart Kohärenz-Check 
    hat freilich seine Tücken, denn wo sucht man den Bezugspunkt des Vergleichs 
    - beim motorisierten Individualverkehr (1999: 7749 Tote) oder der Wahrscheinlichkeit, 
    beim Spaziergang im Stadtpark von einem herabfallenden Ast erschlagen zu werden?